Was ist Freiwilligkeit? Hotelier-Chefin fordert "Präzisierung" für Arbeitszeit

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Das Gesetz könne auch durch eine Generalvereinbarung nicht aushebelt werden, sagte ein Arbeitsrechtsexperte. Sozialministerin Hartinger-Klein schließt jedoch im Gegensatz zur ÖVP eine Gesetzesverschärfung aus.

Der Begriff der Freiwilligkeit ist ein unklarer Begriff, jeder versteht darunter etwas anderes. Das haben in Österreich jetzt nach der Reform des Arbeitszeitgesetzes viele Arbeitgeber erfahren müssen. Die Arbeitnehmer können nämlich die 11. und 12. Arbeitsstunde, die eine Überstunde ist, sowie Überstunden, durch die die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, ohne Angabe von Gründen ablehnen („Freiwilligkeitsgarantie“). Nun verlangen die österreichischen Hoteliers eine präzisere Definition, was genau mit "Freiwilligkeit" beim 12-Stunden-Tag gemeint sei. Für Arbeitgeber wie auch für die Mitarbeiter wäre es wichtig, Klarheit zu schaffen, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer im "ORF-Morgenjournal" nachdem mehrere Fälle bekannt geworden waren, dass in Hotels Mitarbeiter zu längeren Arbeitszeiten gedrängt wurden.

"Ist es auch noch freiwillig, wenn man es sich freiwillig ausgemacht hat, dass es im Dienstplan drinnen steht? Weil in der Sekunde, wo es im Dienstplan steht, ist es ja eigentlich nicht mehr freiwillig" argumentierte Reitterer. "So wie es im Moment im Gesetz drinnen steht, glaube ich, sind die Unternehmerinnen und Unternehmer auch ein bisschen übervorsichtig geworden. ... Ich glaube auch, dass die Unternehmer es einfach so nicht gewusst haben und einfach diese Freiwilligkeit damit ausschließen wollten". Die Arbeitgeber hätten Angst, dass am Abend plötzlich die Rezeption oder die Küche nicht mehr besetzt ist.

Experte: Recht kann nicht ausgehebelt werden

"Ich glaube, dass einfach dieses Wort der Freiwilligkeit ausgeschlossen werden... also... oder erklärt werden muss, ja? Wie lange ist etwas freiwillig? Ich glaube da muss man jetzt einfach das Gesetz, so wie es geschrieben wurde, auf seine Praxistauglichkeit überprüfen." Wichtig sei Rechtssicherheit für alle.

"Ganz nachvollziehen kann ich die Forderungen nicht“, sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Eine Freiwilligkeit sei eine Freiwilligkeit – da gebe es wenig Diskussion.

Der Arbeitsrechtsexperte Georg Schima sagte im "Ö1-Mittagsjournal" zu den nun auftauchenden Fällen, dass jetzt von "oberschlauen Arbeitgebern" versucht werde, die Generalzustimmung von Mitarbeitern zu 12 bzw. 60 Stunden einzuholen. komme nicht überraschend. Es sei jedoch ein juristisch komplett untaugliches Mittel. Und selbst jemand der die Klausel unterschreibt, kann trotzdem bei jeder einzelnen Maßnahme widersprechen, so der Experte: "Es gibt ein Ablehnungsrecht im Einzelfall. Ein solches kann nicht durch irgendwelche Klauseln ausgehebelt werden".

Strafverschärfung: FPÖ versus ÖVP?

Auch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) konnte die Rechtsunsicherheit nicht nachvollziehen: Eine Dienstplanerstellung ist aus ihrer Sicht auch möglich, wenn die Arbeitnehmer jeweils im Einzelfall die Zustimmung zu einer elften und zwölften Arbeitsstunde geben müssen.

Die Sozialministerin sieht trotz der bekannt gewordenen Verstöße von Arbeitgebern gegen die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages keine Notwendigkeit, die gesetzlichen Regelungen zu verschärfen. Im Gegensatz dazu wurde ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Wochenende in der "Wiener Zeitung" folgendermaßen zitiert: "Man muss über Verschärfungen bei den Strafbestimmungen nachdenken, damit man jene trifft, die das Gesetz nicht einhalten".

Bisher drei Fälle aus den Medien

Vor dem Ministerrat am Mittwoch kündigte Hartinger-Klein einen Erlass an die Arbeitsinspektorate für strenge Prüfungen an. "Schwarze Schafe sind streng zu bestrafen", betonte die Ministerin, der Strafrahmen sei höchstmöglich auszunützen. Laut SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch dürfen die Arbeitsinspektorate derzeit gar nicht prüfen, ob eine 11. oder 12. Arbeitsstunde freiwillig zustande gekommen ist.

Das Gesetz nachbessern müsse man aber nicht. Viele Verfehlungen auf Unternehmerseite ortete sie nicht: Hartinger-Klein sprach von zuletzt 25.000 Überschreitungen, und dies bei 300.000 Unternehmen und 3,2 Millionen Arbeitnehmern in Österreich. Das Kabinett der Sozialministerin hat in der Folge präzisiert: Die genannte Zahl 25.000 habe sich insgesamt auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz im Jahr 2017 bezogen.

Seit dem Inkrafttreten per 1. September 2018 kenne man in Sachen 12-Stunden-Tag nur jene drei Fälle, die in Medien genannt worden seien, so ein Sprecher. Man habe bisher die Hälfte der Arbeitsinspektoren befragt, von diesen sei kein einziger Fall rückgemeldet geworden.

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