EU-Kommission will Strafverfahren gegen Italien

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ITALY-EUROPE-ECONOMY-URBAN-STREET-ARTAPA/AFP/FILIPPO MONTEFORTE
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Brüssel spricht sich für ein Strafverfahren gegen Rom aus. Grund ist die geplante Neuverschuldung im italienischen Budget für 2019.

Die EU-Kommission verkündete heute ihre Einschätzungen zu den Budgetentwürfen der 19 Euro-Staaten für 2019. Das Ergebnis: Brüssel triff für ein Strafverfahren gegen Rom ein. Brüssel kritisiert "die erheblichen Mängel" Italiens bei der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau. Außerdem beanstandet die Kommission, dass in der Vergangenheit vorgenommene wachstumsfördernde Strukturreformen, insbesondere die Rentenreform, in erheblichem Maße von der Regierung zurückgenommen werden sollen. Es gebe somit Risiken einer erheblichen Abweichung vom mittelfristige Haushaltsziel und eine "besonders schwerwiegenden Nichteinhaltung" der Empfehlungen der EU. Der Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis sagte, der Budgetentwurf "könnte das Land wie einen Schlafwandler in die Instabilität laufen lassen". 

Daher soll ein Verfahren wegen exzessiven Defizits eröffnet werden. Verhindert werden kann die Einleitung des Verfahrens nur noch, wenn eine Mehrheit der Euroländer dagegen stimmt.

Zum Hintergrund: Der EU-Stabilitätspakt erlaubt ein Budgetdefizit von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit 2,4 Prozent bleibt Rom 2019 im Rahmen, die Neuverschuldung liegt aber dreimal so hoch wie von der Vorgängerregierung versprochen. Sorge bereitet die Gesamtverschuldung: Diese sollte nach EU-Vorgaben 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Mit 131 Prozent oder 2,3 Billionen Euro ist Italiens Schuldenberg mehr als doppelt so hoch. Die Kommission spricht deshalb von einem "besonders schwerwiegendem Verstoß".

Geldstrafe in Milliardenhöhe?

An Ende des Verfahren könnten hohe Bußgelder stehen. Sie können sich nach den EU-Regeln auf bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung belaufen. Diese lag in Italien 2017 bei gut 1,7 Billionen Euro. Die Geldstrafe könnte also bis zu 3,4 Milliarden Euro betragen. Möglich ist auch, dass Italien Ansprüche auf Gelder aus den europäischen Strukturfonds gekürzt werden.

Die Verfahren zum Defizitverfahren sind lang und gehen über viele Etappen. Letztlich ist es auch eine politische Entscheidung, wie schnell der Prozess vorangetrieben wird. Macht die Kommission vor den Europawahlen im Mai 2019 massiv Druck, würde sie der rechts-populistischen Regierung in Rom wahrscheinlich zusätzliche Munition für den Wahlkampf und für Angriffe auf Brüssel liefern. Ein zeitliches Limit gibt es nicht, die Kommission könnte zunächst auch weiter auf Dialogversuche mit Rom setzen.

Bisher hat die EU noch nie eine Geldstrafe verhängt. 2016 war erstmals überhaupt ein Bußgeldverfahren gegen Spanien und Portugal in Gang gesetzt worden. Kommission und Euro-Finanzminister sahen dann aber von Geldstrafen ab. Begründet wurde das mit der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in beiden Ländern.

Italien hält an Budgetplan fest

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte will trotz der endgültigen Ablehnung des Budgetplans durch die EU-Kommission daran festhalten. Rom sei von dem Haushaltsplan überzeugt, teilte Conte laut Nachrichtenagentur ANSA am Mittwoch mit. Gleichzeitig kündigte er für Samstag ein Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an.

Italiens Innenminister Matteo Salvini hat am Mittwoch vor der Entscheidung die EU-Kommission vor der Einleitung eines Strafverfahrens gewarnt. "Das wäre ein Fehler", sagte Salvini der Tageszeitung "La Nuova Sardegna". Die Budgetpläne der vergangenen fünf italienischen Regierungen, die von Brüssel gesegnet worden waren, hätten Italien und den Italienern zutiefst geschadet, kritisierte Salvini, und weiter: "Ich begreife nicht, warum man gegen einen Budgetplan, der Beschäftigung in den Mittelpunkt stellt, Strafen verhängen soll."

Rom forderte von Brüssel, "außergewöhnliche Ereignisse" wie den Einsturz einer Autobahnbrücke im August in Genua und die Schäden durch eine Serie verheerender Unwetter zu berücksichtigen. Ähnliche Ereignisse hat die Kommission in der Vergangenheit gelten lassen.

(Red./APA)

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