Bahn: Streik in einer verfahrenen Situation

Stanislav Kogiku
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Montagmittag bläst die Gewerkschaft für zwei Stunden zum Streik. Der Schritt folgt auf Kollektivverhandlungen, nach denen es Wort gegen Wort steht. Der Druck von außen wächst.

Wien. „Wir haben lang mit uns gerungen“, sagt Vida-Gewerkschaftschef Roman Hebenstreit. Aber die 2,7 Prozent, die die Arbeitgeber zuletzt geboten hatten, seien ein „Schlag unter die Gürtellinie“ der 40.000 Eisenbahnmitarbeiter gewesen.

So ist das Ergebnis dieses Ringens unter 100 Betriebsräten ein zweistündiger Warnstreik am kommenden Montag in ganz Österreich. Wo und in wie vielen der gut 60 Bahnbetriebe gestreikt wird, ist offen. Alle seien aufgerufen, teilzunehmen, sagt Hebenstreit. „Und wir erwarten uns eine sehr hohe Beteiligung.“ Schließlich sind gut 90 Prozent der Mitarbeiter im Eisenbanksektor straff gewerkschaftlich organisiert. Dass die Westbahn mit ihren 400 Mitarbeitern bereits im Voraus abgewunken hat und plant, normal von Wien nach Salzburg zu fahren, tangiert ihn wenig.

Die Früh- und Abendpendler wollen die Eisenbahner bewusst schonen. 85 Prozent der Passagiere stünden in Befragungen hinter ihren Anliegen für fairen Lohn, sagt der Vida-Chef. Ein Sympathiebonus, den er lieber nicht aufs Spiel setzt. Treffen dürfte der Streik zur Mittagszeit dafür wohl die Schüler am Land, die auf den Zug angewiesen sind. Das bestätigen auch die ÖBB und verweisen auf den Postbus als Alternative – dort gibt es bereits einen Kollektivvertrag und keinen Streik.

Erinnerung geht auseinander

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Nach acht Verhandlungsrunden gingen Hebenstreit und sein Gegenüber auf der Arbeitgeberseite, Thomas Scheiber, Mittwochnacht unverrichteter Dinge auseinander. Wer ihnen zuhört, könnte aber denken, sie saßen an unterschiedlichen Tischen.

Selbst beim vorgeschlagenen Lohnplus klaffen die Erinnerungen auseinander. „Ich habe gefragt, was ist euer letztes Angebot? Da war die Antwort 2,7 Prozent“, sagt Hebenstreit. Scheiber dagegen bleibt dabei: Man zahle freiwillig in mehr als 90 Prozent der Bahnbetriebe schon rückwirkend mit 1. Oktober drei Prozent mehr. Und abhängig von den Ergebnissen im Rahmenrecht – sprich etwa beim Thema Arbeitszeit – habe man ab 1. Jänner 2019 „mehr als drei Prozent“ geboten. Die Berechnungen sind verwirrend widersprüchlich – selbst für die Verhandler. Da hilft es auch nicht, dass der Stichtag, ab dem der neue Vertrag ursprünglich gelten sollte, mit 1. Juli schon eine Weile zurückliegt.

Auch sonst wollen sich die Erinnerungen nicht so ganz decken: Laut Scheiber ist der 5. Dezember als nächster Verhandlungstermin fix anvisiert. Laut Hebenstreit gibt es noch gar keinen nächsten Termin. Und apropos Klima in der Mittwochnacht: Während der Gewerkschafter betont, keinen Hehl aus seiner Streikabsicht gemacht zu haben, nachdem sich die Arbeitgeber drei Runden lang „keinen Millimeter bewegt“ hätten, zeigte sich Scheiber tags darauf verblüfft, als zum Warnstreik geblasen wurde. Die Arbeitgeber fühlen sich als Kollateralschaden in einem Konflikt, den die stark rotgefärbten Eisenbahner mit der türkis-blauen Regierung ausfechten. „Das letzte Angebot von 2,7 Prozent lag 15 Euro brutto über der Inflation“, kontert Hebenstreit im Gespräch mit der „Presse“. „Was hat das mit einer politischen Agenda zu tun?“

„Rund um die Uhr erreichbar“

Eines richteten sich beide im Lauf des Freitags über verschiedene Kanäle aus: Gesprächsbereitschaft ist da. „Wir sind Schichtarbeiter – ich bin rund um die Uhr, auch am Wochenende, erreichbar. Man braucht mich nur anzurufen“, sagt Hebenstreit. „Wir sind bereit, die ausgestreckte Hand, so sie nicht geballt ist, zu ergreifen“, sagt Scheiber. Aber ein so kurzfristiges Angebot zur Abwendung des Streiks sei nicht „seriös“.

Der Druck, sich möglichst rasch wieder zusammenzusetzen, ist da. „Wir fordern klar, dass die Gewerkschaft zurück an den Tisch kommt“, sagt ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder. Man sei mit den drei Prozent Lohnplus bereits „in Vorleistung gegangen“. Der Streik sei für die ÖBB daher „nicht nachvollziehbar“. Auch FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer meldete sich als Eigentümervertreter der Staatsbahnen per Aussendung mahnend zu Wort: Es müsse möglich sein, „einen gemeinsamen österreichischen Weg zu finden und die Verhandlungen ohne Streik zu einem guten Ende zu bringen“.

Hebenstreit wird das Handy am Wochenende in Reichweite haben. Sollte niemand anrufen, würde er eine Ausdehnung des Streiks in Betracht ziehen? „Ich hoffe nicht, dass wir so weit eskalieren müssen.“

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