"Inverse Zinskurve" schürt Angst vor US-Rezession

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Üblicherweise ist die Rendite einer länger laufenden Anleihe höher als bei einer kürzer laufenden. Derzeit nicht. An den Börsen sorgt das Phänomen der "inversen Zinskurve" für Turbulenzen.

Die US-Wirtschaft brummt und dennoch wächst die Furcht vor einer Rezession. Grund dafür ist die Entwicklung am Anleihemarkt, wo erstmals seit gut einem Jahrzehnt die Renditen länger laufender Bonds teilweise unter diejenigen mit kürzerer Laufzeit liegen. Fachleute sprechen hier von einer "inversen Zinskurve". An den Börsen sorgte dieses Phänomen zuletzt für größere Turbulenzen und brockte dem US-Leitindex Dow Jones am Dienstag mit einem Minus von 3,1 Prozent den zweitgrößten Tagesverlust des Jahres ein.

"Seit dem zweiten Weltkrieg hat sich die US-Zinskurve achtmal invertiert und jedes Mal folgte darauf eine Rezession", warnt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Und auch jetzt ist die Angst begründet. Die Weltwirtschaft könnte schon Mitte kommenden Jahres gänzlich anders aussehen als heute." Vor allem der Zollstreit zwischen den USA und China könnte den Aufschwung Experten zufolge abwürgen. Zwar habe US-Präsident Donald Trump einen Burgfrieden verkündet, eine Bestätigung durch die Regierung in Peking stehe aber noch aus. Außerdem sei zweifelhaft, ob die beiden weltgrößten Volkswirtschaften eine dauerhafte Lösung für den Konflikt finden.

In den USA werfen fünfjährige Treasury Bonds mit 2,791 Prozent derzeit weniger ab als zweijährige Titel, die mit 2,799 Prozent rentieren. Die zehnjährigen Papiere liegen mit 2,915 Prozent zwar noch leicht darüber, der Abstand war zeitweise aber so niedrig wie zuletzt beim Ausbruch der Immobilien- und Finanzkrise 2007.

Üblicherweise ist die Rendite einer länger laufenden Anleihe höher als bei einer kürzer laufenden. Derzeit trennen sich US-Investoren aber von Letzteren. Sie rechnen dank der brummenden Konjunktur fest mit einer Zinserhöhung der Notenbank Federal Reserve im Dezember und für 2019 mit weiteren Schritten. Daher wollen sie in ihren Depots Platz für neu ausgegebene, höher verzinste Papiere schaffen. Die Verkäufe der bereits gehandelten Titel treibt die Renditen in die Höhe.

Das Ende der aktuellen Hochkonjunktur sei aber absehbar, betont Cyrus de la Rubia, Chef-Volkswirt der HSH Nordbank. "Wir erwarten für 2020 eine milde Rezession." Dann sei auch eine Zinssenkung denkbar. Daher wollen sich Anleger langfristig die aktuelle Verzinsung sichern. Die Käufe von Bonds mit Laufzeiten von zehn oder mehr Jahren drücken deren Rendite.

Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com warnt allerdings vor Panik. "Ja, die Inversion ist ein Warnsignal, aber es besteht kein Kausal-Zusammenhang." Anlagestratege Masahiro Ichikawa vom Vermögensverwalter Sumitomo Mitsui bezeichnet die aktuelle Entwicklung am US-Rentenmarkt als überzogen. "Die US-Wirtschaft kann ein oder zwei weitere Zinserhöhungen aushalten." Die Gefahr, dass die Fed die Konjunktur abwürge, sei gering.

(Reuters)

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