Auf der Suche nach Jobs und Zukunft

Es sei wichtig, einen Beitrag zu leisten, sagt die Regierung. Auf der AMS-Jobbörse bekommen Flüchtlinge die Chance dazu.
Es sei wichtig, einen Beitrag zu leisten, sagt die Regierung. Auf der AMS-Jobbörse bekommen Flüchtlinge die Chance dazu.APA/HANS PUNZ
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Mehr als 30.000 Asylberechtigte in Österreich sind arbeitslos. Die Wirtschaft sucht Zigtausende Fachkräfte. Auf einer großen Jobbörse des AMS in Wien brachte man sie zusammen.

Wien. „Lager, Handel, Verkauf, hat noch jemand Interesse?“, ruft die AMS-Mitarbeiterin in die Menge, und hat gleich eine Handvoll Interessenten an der Hand. Sie suchen Arbeit – und die soll es hier geben, auf der Jobbörse für Asylberechtigte, zu der die Bundesregierung und das Arbeitsmarktservice am Mittwoch geladen haben. 40 Firmen, darunter viele große Namen wie Rewe, OMV, Siemens, Hofer und die Post, präsentieren sich in der Gösserhalle in Wien Favoriten. Sie suchen Personal – und das soll es hier geben: 1600 jüngere Flüchtlinge waren eingeladen, gekommen sind mindestens 1300.

Viele von ihnen sind im Jahr 2015 mit der großen Flüchtlingswelle nach Österreich gekommen. Viele von ihnen haben jahrelange Deutschkurse hinter sich und sprechen erst jetzt gut genug Deutsch, um sich eine qualifizierte Stelle zu suchen. Das AMS betreute Ende Dezember 32.350 Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Eine von ihnen ist 32 Jahre alt, Syrerin, Bauingenieurin mit fünf Jahren Arbeitserfahrung in Syrien und auf Jobsuche, wie sie sagt. Sie erzählt bereitwillig in beinahe perfektem Deutsch, aber ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. Soeben hat sie sich bei Porr vorgestellt, obwohl sie sich schon einmal erfolglos bei dem Baukonzern beworben habe. Sie bewerbe sich ständig, aber: „Ich bekomme immer Absagen.“ Vielleicht liege es daran, mutmaßt die Frau, dass für sie als zweifache Mutter regelmäßige Nacht- und Wochenenddienste nicht infrage kämen.

Im November 2018 waren 7845 Menschen aus Syrien in Österreich unselbstständig beschäftigt, drei Jahre davor waren es 1109. Seit November 2015 haben also 6700 Syrer Arbeit gefunden. Es werde in den österreichischen Unternehmen immer normaler, Flüchtlinge zu beschäftigen, sagt AMS-Chef Johannes Kopf zur „Presse“. Was sich gezeigt habe: Zu Beginn hätten viele Unternehmen gesagt, sie wollten auf jeden Fall Flüchtlinge einstellen. „Aber sie haben nicht verstanden, was das in der Praxis bedeutet“. Es sei nun einmal viel mehr Aufwand, einen Flüchtling einzustellen, als einen Österreicher, der perfekt Deutsch spricht.

Gegen den Personalmangel

Deutsch sei essenziell, sagt auch ÖBB-Chef Andreas Matthä. Die Staatsbahn sucht allein heuer 2000 Mitarbeiter, 300 davon im Verschub. „Das ist schwere Arbeit, für die wir kaum mehr Österreicher bekommen“, so Matthä zur „Presse“. Also haben die ÖBB ihre Zelte auf der Jobbörse aufgeschlagen und fischen nach Personal. Wie Matthä sind auch OMV-Chef Rainer Seele, AUA-Vorstand Alexis von Hoensbroech und Siemens-Österreich-Boss Wolfgang Hesoun dem Ruf des Bundeskanzlers gefolgt. Das Event ist also prominent besetzt – Sebastian Kurz (ÖVP) pflegt gute Kontakte in die Wirtschaft und weiß dies zu vermarkten.

Im Sommer 2016 erklärten sich in einer Deloitte-Umfrage zwei Drittel der Unternehmen bereit, Flüchtlinge anzustellen. Aber lediglich ein Prozent tat dies auch. Eineinhalb Jahre später beschäftigten schon 31 Prozent der Befragten Menschen mit Fluchthintergrund. Wie Franz Josef Astleithner. Er hat eine Chemiefirma in Wiener Neustadt – und heute einen Stand auf der Jobmesse. Astleithner hat 13 Mitarbeiter, bis vor Kurzem auch einen Asylberechtigten aus dem Kosovo, wie er erzählt. Dieser war Lehrling – und Austria-Fan: Wenn es ein Spiel gegeben habe, sei er immer krank gewesen. Aber das habe man gewusst und eingeplant. Außerdem habe er irgendwann keine Aufträge von Frauen mehr annehmen wollen. Nach einem halben Jahr habe er angerufen und am Telefon die Lehre hingeschmissen. „Er sagte, es gefällt ihm nimmer. Schade drum, das war ein vifer Bursche.“ Jetzt sucht Astleithner einen neuen Lehrling, gern wieder einen Flüchtling. In seiner Firma sei man „multikulti“.

Astleithner ist nur einer von zahlreichen Unternehmern auf Personalsuche. Die türkis-blaue Koalition will den Facharbeitermangel senken und 100.000 nachhaltige Jobs schaffen. Der Mangel soll zuerst mit in Österreich registrierten Arbeitslosen behoben werden – wie eben mit Asylberechtigten. Es sei „wichtig, in einer Gesellschaft einen Beitrag zu leisten“, sagte Bundeskanzler Kurz.

Lehre statt Studium

Saleh Alabbas würde gern einen Beitrag leisten. Er kam 2015 nach Österreich, spricht fließend Deutsch und hat das seit Kurzem amtlich: Nach dem letzten Kurs ist sein Niveau B2, fortgeschritten. In Syrien hat er das Gymnasium abgeschlossen, er wollte hier studieren, aber dafür reicht sein Deutsch noch nicht. Heute hat sich der 24-Jährige bei der Post beworben: „Die Gespräche sind super gelaufen.“ Jetzt hofft er, dass daraus eine Lehre wird. Man wünscht es ihm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2019)

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