Waldinventur: Es war einmal das Waldsterben

(c) Clemens Fabry
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Der Wald wächst – und es geht ihm gut. Erstmals macht er mehr als vier Millionen Hektar aus, fast die Hälfte Österreichs besteht aus Wald, ergab eine umfassende Untersuchung.

Wien. Der Borkenkäfer breitet sich aufgrund der warmen Temperaturen stark aus und wird zunehmend zu einem Problem für die Fichten; ein eingeschleppter Schlauchpilz vernichtet sämtliche Eschen in Österreich: Es waren nicht die besten Nachrichten, die man in den vergangenen Monaten zum Zustand des Waldes in Österreich gehört hat. Aber immer noch bessere als in den 1980er-Jahren, als der „saure Regen“ und das „Waldsterben“ die Schlagzeilen beherrschten. Damals meinten manche, dass es um das Jahr 2000 in Österreich kaum noch gesunde Bäume geben werde.

Doch dem Wald geht es so gut wie noch nie. Das ergab die bisher intensivste und umfassendste Erhebung. Sechs Jahre lang untersuchte das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) und erhob unter anderem auf 5500 Waldflächen in Österreich Daten. 11.000 Punkte wurden erfasst, das Ergebnis ist die österreichische Waldinventur, die Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) gestern in Wien präsentierte.

Regionen ohne Fichte

„Unser Wald wächst jedes Jahr mehr“, bilanzierte die Ministerin. Erstmals wurde die Marke von vier Millionen Hektar Waldfläche überschritten, womit der Anteil an der Staatsfläche rund 48 Prozent beträgt. Der Gesamtvorrat, also das Holzvolumen, beträgt 1,17 Milliarden Kubikmeter.
Allein in den vergangenen zehn Jahren wuchs der Wald um 30.000 Hektar, das bedeutet einen jährlichen Zuwachs von etwa 4762 Fußballfeldern. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Holzbauweise benötigt etwa 40 Kubikmeter Holz, es könnten mit der jährlichen Holzzunahme also 105.000 Einfamilienhäuser aus Holz gebaut werden.
Was die Zusammensetzung angeht, nimmt der Anteil an Laub- und Mischwäldern zu, Nadelhölzer sind hingegen rückläufig. „Das ist als sehr gute Entwicklung zu sehen“, sagte Köstinger, sowohl was die Resistenz gegen Schädlingsbefall als auch die Widerstandskraft gegen klimatische Veränderungen betrifft.

Hauptbaumart bleibt mit einem Anteil von 57,4 Prozent die Fichte, doch hier gab es durch den Borkenkäfer bedingte Flächenverluste von 1,709 Millionen Hektar (2008) auf 1,646 Millionen Hektar (2018). „Der Borkenkäfer ist nördlich der Donau großes Thema und Herausforderung für die Waldbesitzer“, erläuterte BFW-Leiter Peter Mayer. Die Fichte sei wirtschaftlich und ökologisch wichtig, der Klimawandel setze aber Grenzen. Ziel der Forschung ist es daher, diese Baumart der Wärme anpassen zu können. Doch blickt man auf die nächsten 100 Jahre, dann werde es Regionen geben, in denen die Fichte nicht mehr wächst.

Die Buche legte als zweithäufigste Baumart in Österreich zu, von 336.000 Hektar auf 342.000 Hektar. Das entspricht einem Anteil von etwa zwölf Prozent. Beim Laubholz hat neben der Buche auch die Verbreitung von Ahorn zugenommen. Das sei gut für die Artenvielfalt und die Biodiversitätsziele.

Holzfaser statt Plastik

Auch wenn die Entwicklung beim Waldbestand positiv sei, werde für das Vorjahr eine „noch nie da gewesene Menge an Schadholz“ im Ausmaß von vier Millionen Festmetern erwartet, sagte Köstinger. Hier habe man aber rasch Maßnahmen ergriffen, wie etwa die „Nasslagerung“, die das Holz sowohl vor dem Austrocknen als auch vor Schädlingen schützen soll. Zudem wurde in die Aufforstung investiert. Weiteres Schadholz werde der schneereiche Winter liefern.

Die Forstwirtschaft arbeitet laut dem Bericht insgesamt nachhaltig, es wird nicht der ganze Zuwachs geerntet: Im Jahr 2018 wuchsen beispielsweise 29,7 Mio. Kubikmeter zu, davon wurden 26,2 Mio. Kubikmeter genutzt. Die Nutzung des Waldes ist von 85 Prozent um drei Prozentpunkte auf 88 Prozent gestiegen. Die Wertschöpfungskette Holz biete in mehr als 170.000 Betrieben etwa 280.000 Menschen Einkommen.

Nicht außer Acht gelassen werden dürfe die wirtschaftliche Nutzung der Wälder, die etwa Jobpotenzial im Tourismus bieten. Auch die Rolle des Waldes im Kampf gegen den Klimawandel könne in Zukunft noch bedeutender werden, meinte Köstinger unter Hinweis auf die Bioökonomiestrategie des Bundes. Diese hat das Ziel, Alternativen zu fossilen Ressourcen zu finden: So könnte man in Zukunft Kleidung etwa aus Holz herstellen, und auch Plastik könnte durch Holzfaser ersetzt werden.

Insgesamt sei der Wald gut für die Gesundheit des Menschen. „Verschreiben Sie sich den Wald. Der Aufenthalt im Wald hat positive Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Psyche“, meinte BFW-Chef Mayer. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2019)

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