Österreichs Pfleger im Aufruhr – hier droht der nächste Streik

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Nach den Metallern und den Eisenbahnern spitzt sich nun die Situation in der Sozialwirtschaft zu. Es spießt sich an Lohn und Arbeitszeit.

Wien. Lohnverhandlungen seien immer mühsam, wenn es um das Inhaltliche geht, sagt Walter Marschitz. Er ist Chefverhandler für die Arbeitgeber der Sozialwirtschaft Österreich – zu den bekanntesten Betrieben zählen die Volkshilfe, die Lebenshilfe und das Hilfswerk. Aber, sagt Marschitz: „Von einer Eskalation würde ich noch nicht sprechen.“

Das könnte sich aber bald ändern. 18 Stunden saßen sich Arbeitgeber und Gewerkschafter am Mittwoch gegenüber, um drei Uhr Früh brachen sie die dritte Verhandlungsrunde ab. Die Gespräche seien eigentlich konstruktiv gelaufen, so Marschitz. Aber Ergebnis gab es keines. Die Gewerkschaft verlangt für die mehr als 100.000 Beschäftigten in der Branche eine Lohnerhöhung von sechs Prozent. Die Arbeitgeber bieten 2,5 Prozent. Wirklich entzweit ist man aber bei einem anderen Thema: Die Gewerkschaft fordert eine sechste Urlaubswoche für alle und eine Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Stunden in der Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. In keiner anderen Branche wurde diese Forderung bisher so offen aufs Tapet gebracht. Die Gewerkschaft argumentiert mit steigendem Leistungsdruck und zunehmender Überlastung des Personals, die eine Verlängerung der Erholungszeiten dringend notwendig mache. Für die Arbeitgeber ist das ein No-go. Die 35-Stunden-Woche ist für sie eine rote Linie – zumal sie de facto auf eine Lohnerhöhung hinauslaufen würde, wie sie sagen. Weil 80 Prozent der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft in Teilzeit arbeiten.

Nächste Runde am Donnerstag

Allein die Arbeitszeitverkürzung würde Mehrkosten von fast zehn Prozent für die Branche bedeuten, so Marschitz, und den ohnehin gravierenden Personalmangel noch in die Höhe schrauben. Die Gewerkschaft beharrt auf ihren Forderungen. Und verschärft die Gangart: Am Dienstag gab es einen „Aktionstag“, 3000 Teilnehmer seien in einem „Sternmarsch“ auf die Straße gegangen. Die Aktionen würden jetzt verstärkt, sagt Reinhard Bödenauer, der für die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) verhandelt. „Nächste Woche werden wir in einigen Betrieben Streikbeschlüsse fassen.“ Am kommenden Donnerstag wird weiter verhandelt. Das Angebot der Arbeitgeber sei weit von dem entfernt, was sich die Beschäftigten verdient hätten.

Nach den Metallern und den Eisenbahnern könnten also bald die Pfleger und Betreuer in den Ausstand treten. Es wäre nicht das erste Mal: Voriges Jahr eskalierten die Lohnverhandlungen bis zum Warnstreik. Dabei ist die Sozialwirtschaft ein spezieller Fall, weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Grunde dasselbe wollen: bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal. Hilfsorganisationen rechnen mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen von derzeit 450.000 auf 750.000 im Jahr 2050. Nicht erst einmal wurde vor einem Pflegenotstand gewarnt. Der Staat kann den Bedarf nur teilweise decken, private, gemeinnützige und kirchennahe Organisationen wie die Caritas springen ein. Sie bekommen Zuschüsse von der öffentlichen Hand. Die Arbeitgeber haben also, anders als in der Privatwirtschaft, nur bedingt Einfluss darauf, wie viel es zu verteilen gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2019)

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