Die Anti-Amazon-Wunschliste

Amazon eröffnete im Herbst sein erstes Verteilerzentrum in Österreich. Dort würden aber nicht so „jenseitige Löhne“ wie in Deutschland gezahlt, sagt die Gewerkschaft.
Amazon eröffnete im Herbst sein erstes Verteilerzentrum in Österreich. Dort würden aber nicht so „jenseitige Löhne“ wie in Deutschland gezahlt, sagt die Gewerkschaft.REUTERS
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Gewerkschaft und Händler sind sich einig: Die Regierung tut zu wenig gegen Onlineriesen. Ein Forderungskatalog zeigt, wo sie der Schuh drückt – und was andere Länder besser machen.

Wien. Es ist ein „durchaus ungewöhnlicher Schulterschluss“, das gab die oberste Gewerkschafterin der Privatangestellten (GPA-djp), Barbara Teiber, zu, als sie am Mittwoch neben Handelsverband-Chef Rainer Will Platz nahm. Aber der Zweck heiligt die Partner, und dieses Mal wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dasselbe: mehr Steuern und Regeln für Digitalkonzerne, allen voran für den dominanten Marktplatz Amazon.

Was ÖVP–Finanzminister Hartwig Löger zu Jahresbeginn bei der Regierungsklausur in puncto Digitalsteuer ankündigte, finden beide Seiten wenig zufriedenstellend. Am Mittwoch fiel öfter das Wort „bemüht“. Ihre ambitionierten Zusatzforderungen dürften wenig Aussicht auf rasche Umsetzung haben – zeigen aber die Baustellen im Umgang mit Amazon und Co. auf. „Die Presse“ fasst zusammen.

Fall für die Wettbewerbshüter

Viele der 9000 oft kleinen österreichischen Onlineshops verkaufen via Amazon, wo nach Schätzung des Handelsverbands jeder zweite Euro im Onlinehandel fließt. „Je kleiner eine Firma, desto höher die Abhängigkeit“, sagt Will. Diese Abhängigkeit treibt unschöne Blüten. Händler berichteten, dass Amazon nach Luxemburger Recht grundlos mit sofortiger Wirkung den Vertrag kündigt. Oder ihre Konten für Monate sperrte. Oder sich Lizenzen an ihren Marken und Technologien sicherte. Viele der Fragen liegen seit Dezember bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Auf Nachfrage der „Presse“ bestätigt eine Sprecherin, dass nächste Woche fixiert wird, ob die BWB Ermittlungen gegen Amazon aufnimmt.

Teiber und Will schwebt ein Gesetz vor, das Luxemburger Praktiken ganz verbietet: Sie fordern einen Kontrahierungszwang nach Vorbild der Telekombranche. Das Wirtschaftsministerium habe Gespräche zugesichert. Dort heißt es vorsichtig: Man kenne den Vorschlag noch nicht und warte ab.

Haftungsfragen

Auf Amazon und Alibaba tummeln sich aber nicht nur unterdrückte, aufrichtige Händler, sondern auch solche aus EU-Drittstaaten, die Umsatzsteuer und Zoll nicht abführen. Geht es nach Teiber und Will, sollen die Marktplätze für die nicht abgeführten Steuern haften. Die Politik könne sich ein Beispiel an Großbritannien und Deutschland nehmen. Im Nachbarland werden Amazon und Co. ab März angehalten, Informationen wie die Steuernummer von den Händlern einzuheben und bei Verdacht an die Behörden zu übermitteln. Tun sie das nicht, zahlen sie selbst. Großbritannien hat das System bereits 2016 eingeführt und im ersten Jahr eine Mrd. Pfund Mehreinnahmen lukriert.

Im Finanzministerium verweist man gegenüber der „Presse“ darauf, dass genau solche verstärkten Meldepflichten – jedoch mit Anwendungsschwerpunkt Airbnb – im Rahmen der Steuerreform geplant sind. Die Abstimmungsgespräche liefen.

Digitalsteuer – aber welche?

Dauerbrenner und Hauptkritikpunkt der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist das Fehlen einer Digitalsteuer. Nach zähen Verhandlungen auf EU- und OECD-Ebene stellte Löger bei der Regierungsklausur vorerst eine nationale Besteuerung der Onlinewerbung für 2020 in Aussicht. „Das ist ein erster Schritt, aber nicht genug, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten“, sagt Teiber. Es brauche zumindest eine Besteuerung der Umsätze, die in Österreich über die Plattformen fließen. Und selbst das könne nur ein Zwischenschritt zur lang ersehnten „digitalen Betriebsstätte“ sein. Mit ihr als Anknüpfungspunkt könnte der Fiskus die Gewinne der Onlineriesen auch ohne greifbaren Sitz in Österreich besteuern. „Wir können nicht warten, bis sich 120 OECD-Staaten inklusive Steuerinseln einigen – was nie der Fall sein wird“, sagt Will. Aus dem Finanzministerium heißt es dazu zur „Presse“: Viele Dinge gingen nur mit globaler Zusammenarbeit. „Wir bleiben auf EU- und OECD-Ebene sehr stark daran.“

Mitarbeiterschikanen

„Jenseitige Löhne“ – zumindest damit kämpfe sie nicht wie die Kollegen in Deutschland und anderen Ländern, sagt Teiber. Auf internationalen Gewerkschaftskonferenzen gebe es die einhellige Meinung: Amazon ist ein „schwieriges Unternehmen“. Wo es Lager hat, seien Lohndumping und die Verhinderung von Gewerkschaften und Betriebsräten an der Tagesordnung.

In Österreich sind die Gelegenheiten begrenzt. Amazon eröffnete im Herbst sein erstes Verteilzentrum in Großebersdorf. Teiber sagt, sie wisse von 14 Mitarbeitern und „keinen Auffälligkeiten“. Nachsatz: In Österreich könne es durch die hohe Kollektivvertragsabdeckung nie so weit kommen. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2019)

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