Investitionen: Einladung an Brexit-Flüchtlinge

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355 Firmen siedelten sich 2018 in Österreich an – vor allem bei britischen Firmen gab es ein großes Plus. Wenn die Zahl steigen soll, braucht es aber mehr Fachkräfte.

Wien. Hart oder weich – das ist auch rund 50 Tage vor dem Termin für den Austritt Großbritanniens aus der EU Ende März nicht klar. Faktum ist indes, dass Österreich schon im Vorjahr von den Querelen rund um den Brexit und die nicht absehbaren Folgen für die britische Wirtschaft profitiert hat – und heuer noch mehr profitieren dürfte. „Die Zahl der britischen Firmenansiedlungen hat sich auf 14 verdoppelt, und ich bin überzeugt, das ist erst der Anfang“, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Dienstag bei der Präsentation der Ansiedlungsbilanz 2018. Dabei gehe es nicht nur um britische Firmen, sondern auch um Österreicher, die auf der Insel eine Firma gegründet hätten und nun eine Rückkehr erwägen würden, betonte die Ministerin.

Um diese Chance zu nutzen und auch andere Märkte noch intensiver zu bearbeiten, werde die staatliche Ansiedlungsagentur ABA in eine „Standortagentur“ mit mehr Budget und Personal umgewandelt, kündigte Schramböck an. 2018 verfügte die ABA über 4,73 Mio. Euro. Bei 2888 von den von 355 angesiedelten Betrieben neu geschaffenen Arbeitsplätzen bedeutet das einen Aufwand von 1700 Euro pro Job. „Wir glauben, dass wir unser Geld wert sind“, verwies ABA-Chef Rene Siegl auf das beste Ergebnis in 37 Jahren. Die ABA soll künftig nicht nur Firmen anlocken, sondern auch den Zuzug von Fachkräften erleichtern.

Qualifiziertes Personal bilde das wichtigste Argument bei der Entscheidung eines Unternehmens für Österreich – abgesehen von der geopolitischen Lage zwischen West- und Osteuropa und dem hohen Forschungs- und Innovationsniveau, betonte Schramböck. Der von den heimischen Firmen beklagte Mangel an Fachkräften wirke sich inzwischen auch auf die Ansiedlungen negativ aus, verwies Siegl auf die „unerfreuliche“ Stagnation bei deutschen Unternehmen.

Um die Lücken zu füllen, hat Schramböck einen dreistufigen Plan. Dazu gehört die Entrümpelung unzeitgemäßer Lehrberufe sowie die Schaffung neuer mit Schwerpunkt Technik, IT und Digitalisierung. Das habe bereits die Zahl der Lehrlinge steigen lassen. Besonders erfreulich: In den IT-nahen Ausbildungsfeldern gebe es 400 Lehrlinge, davon 40 Prozent Mädchen. Ein weiterer Ansatz sei das in Oberösterreich in Erprobung befindliche Modell der Lehre nach der Matura.

Italien fällt zurück

Zudem sollen verstärkt Fachkräfte aus dem EU-Ausland angelockt werden – eine der neuen Aufgaben der ABA. Schramböck erwähnte in diesem Zusammenhang das Beispiel der „Abwanderung“ von IT-Fachkräften aus der Intel-Niederlassung im polnischen Danzig zu Software-Riesen wie Google nach München. Und nicht zuletzt gelte es, gutes Personal aus EU–Drittstaaten zu bekommen. Dazu würden die „Mangelberufsliste“ aktualisiert und die Rot-Weiß-Rot-Card entbürokratisiert.

Die 355 neuen Firmen haben 734 Mio. Euro investiert und 2888 Jobs geschaffen – alle drei Zahlen sind neuer Rekord (siehe Grafik). Einer der größten Fische, der der ABA ins Netz gegangen ist (und den Siegl nennen darf), ist das Amazon-Zustelllager in Großebersdorf (NÖ).

Das Gros entfiel trotz leichten Rückgangs mit 108 Ansiedlungen wieder auf Deutschland, gefolgt von der Schweiz, die mit einer Zunahme von 26 auf 36 Projekte das schwächelnde Italien (28) überholt hat. Ein laut Schramböck besonders erfreuliches Detail: Jeder zehnte Newcomer forscht auch, sechs Prozent sind Start-ups, so etwa Aeolus Robotics aus den USA. Die Zahl der chinesischen Projekte fiel zwar von elf auf neun, jene der Investitionen hat sich jedoch mehr als verzehnfacht.

Für heuer hat Schramböck der ABA mit 444 Ansiedlungen die Latte hoch gelegt. Zu hoch? „Wir bearbeiten erstmals mehr als 1000 Projekte, die müssen wir nur auf den Boden bringen“, meinte Siegl. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2019)

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