Wifo: Österreichs Steuerquote "muss runter, runter, runter"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Christoph Badelt, Chef des Forschungsinstituts Wifo, fordert einen großen Wurf bei der Steuerreform. Kleine Einkommen müssten stärker entlastet werden.

Die Steuer- und Abgabenquote in Österreich "muss runter, runter, runter", fordert Wifo-Chef Christoph Badelt unter anderem in Reaktion auf die neueste OECD-Steuerstudie "Taxing-Wages", wonach ein Durchschnittsarbeitnehmer 47,6 Prozent Steuern und Abgaben abführt. Bei der kommenden Steuerreform seien also vorerst Maßnahmen bei den Lohnnebenkosten wichtiger als etwa bei der Körperschaftsteuer.

Kleine Einkommen müssten stärker entlastet werden, forderte Badelt am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. "Dazu gehört in die Sozialversicherung hineingegangen, nicht nur in die Krankenversicherung, auch wenn die Sozialversicherung dann stärker steuerabhängig wird." Die Sätze gehörten längerfristig eingeschliffen. Als zweite Maßnahme solle der 25 Prozent hohe Eingangssteuersatz abgesenkt werden - "auf 10 Prozent beispielsweise".

"Alle wissen, es braucht eine grundlegende Reform des österreichischen Abgabensystems", sagte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). "Es geht um die Entlastung des Faktors Arbeit, eine Ökologisierung und eine Vereinfachung, die auch mehr Transparenz ins Abgabensystem bringt." Die Grundrichtung der kommenden Steuerreform stimme zwar. Was bisher angekündigt wurde, dürfte auch aus den Budgetüberschüssen finanzierbar sein: "Aber es reicht halt nicht."

"Politik muss langfristig lenken"

Badelt verlangt hier mehr Mut von der Politik und dass sie Zukunftsthemen in den Mittelpunkt rückt: "Man muss weiter denken und langfristig lenken. Viele Themenbereiche müssen dafür enttabuisiert werden." Ausnahmen bei der Einkommensteuer, das Pendlerpauschale, das Dieselprivileg sowie das "anachronistische" 13. und 14. Monatsgehalt, von dem Höherverdienende stärker profitierten als Bezieher niedrigerer Einkommen, gehörten unter anderen Punkten angegangen. Badelt plädierte für eine Steuerreform in mehreren Schritten, denn gerade Dinge wie das Dieselprivileg könne man nur schrittweise angehen.

Im Klimabereich würde die Regierung im Rahmen der Steuerreform nur "ein paar kleine Dinge planen". "Bei den bisher vorgeschlagenen Maßnahmen glaubt keiner, dass die CO2-Ziele damit erreicht werden", kritisierte Badelt. "In der Praxis ist es so, dass die Österreicher in den vergangenen zwei Jahren aber mehr unter dem Klimawandel gelitten haben als unter der Migration."

Das Verfehlen der CO2-Ziele werde teuer. Also sei es besser, jetzt Geld in die Hand zu nehmen, um diese zu erreichen, anstatt später Strafe zu zahlen. "Dringende Dinge sind halt immer sehr kontrovers", bedauerte der Ökonom. Bei der Klimapolitik gehe es um den Verkehr, die Wohnbauförderung und das Abschaffen klimaschädlicher Subventionen. "Hier geht nichts von heute auf morgen - und das wissen wir seit 30 Jahren."

Würden diese Themen angegangen, brauche es eine viel höhere Gegenfinanzierung als etwa aktuell über die neue Digitalsteuer, so Badelt, der die Abschaffung der Kalten Progression hinterfragt wissen will. Denn die Kalte Progression mache alle paar Jahre Reformen nötig, die sonst womöglich ins Hintertreffen geraten würden, gab der WIFO-Chef zu bedenken.

Rund um die Reform der Mindestsicherung stehe die Polemik im Vordergrund. Auch hier würden langfristige Fragen nicht thematisiert. Es gebe immer mehr Menschen, die vom Erwerbseinkommen nicht leben könnten bzw. im Vergleich zu Transfereinkommen wenig verdienen. Auch das zeige, dass die Einkommen im unteren Bereich netto stärker entlastet werden müssten, so Badelt. Das Aus für Krankenversicherungsbeiträge bei den untersten Einkommen sei ein "kleiner Schritt, reicht aber nicht". Grundsätzlich müsse festgelegt werden, welche Untergrenze der Einkommen in Österreich als "menschenwürdig" angesehen werden solle - "unabhängig von der Staatsbürgerschaft oder den Sprachkenntnissen", so der Wirtschaftsforscher.

Ab 2020 steigt Arbeitslosigkeit

Er forderte auch eine aktivere Arbeitsmarktpolitik von der Bundesregierung, denn ab 2020 werde die Arbeitslosigkeit wieder steigen. "Schon jetzt sollten budgetäre Vorsorgemaßnahmen getroffen werden." Auch in der Arbeitsmarktpolitik sollte wie bei den Steuern und Abgaben langfristige Ziele definiert werden. "Es passiert nicht genug", so Badelt. "Die Arbeitsmarktpolitik muss evaluiert werden und den Erfordernissen der Zukunft gerecht werden, dazu gehören neue Initiativen vorbereitet." Hier gehe es um eine viel offensivere Sprachförderung und stärkere Finanzierung von Brennpunktschulen um das Arbeitskräftepotenzial zu heben.

Zum Thema Fachkräftemangel sagte Badelt auch, dass die Frauenerwerbstätigkeit "immer noch erschwert" werde. Durch Kinderbetreuung könne man mit Frauen aber das Arbeitskräftepotenzial heben.

Gerne würde Badelt mit dem WIFO "Kompensationen" für etwaige grundlegende und längerfristige Steuer- und Abgabemaßnahmen rechnen, damit am Schluss ein Nettosteuergewinn rauskommt". Bestellt wurden solcherlei Rechnungen seitens der Politik bisher aber nicht.

(APA)

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