Supermärkte lassen die Ortskerne hinter sich

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Für den Einkauf fahren immer mehr Menschen vor die Stadt. Die Fachmarktfläche hat sich seit 2000 verdoppelt.

Wien. Wer sagt, Amazon zieht die Wertschöpfung ins Ausland ab? Es sind wohl nicht die 6800 Händler, die in Österreichs Fachmarktgebieten sitzen. Diese meist willkürlich gewachsenen Anhäufungen von Shops am Stadtrand haben seit der Jahrtausendwende einen Boom erlebt. Wie eine Studie von Standort + Markt zeigt, ist ihre Fläche in knapp 20 Jahren von 2,8 Millionen auf 5,8 Millionen Quadratmeter gewachsen. Mit 14,1 Mrd. Euro fließt ein gutes Viertel der Kaufkraft im Einzelhandel dorthin.

Die Studienautoren sprechen von einer „stillen Größe“, die sich trotz der Bemühungen der Raumplaner um den Erhalt der Ortskerne legal entwickeln konnte. Zum Vergleich: Österreich hat 131 Shoppingcenter mit 2,4 Mio. Quadratmetern Fläche, Wien hat 22 große Geschäftsstraßen mit 1,1 Mio. Quadratmetern. Nirgends ist der Leerstand so gering wie in den stetig wachsenden Fachmärkten.

Wieso? Der Erfolg lässt sich mit ihrem veränderten Angebot erklären. Zwar dominieren flächenmäßig Möbelhäuser und Baumärkte, die solche Standorte traditionell trugen. Beim Umsatz liegen Lebensmitteldiskonter aber klar vorne. Der Fachmarkt ist zum Nahversorger für motorisierte Kunden am Weg zwischen Arbeits- und Wohnort geworden. Mit Abstand am meisten Filialen haben heute der Diskonter Hofer, sein Konkurrent Billa, die Drogerieketten Bipa und Dm und der Textildiskonter Kik.

Viele Kunden, wenig Geschäft

Die Frequenzen wandern mit den Nahversorgern hinaus, sagt Hannes Lindner, Mitautor der Studie. Er hat mit vielen Supermarktbetreibern gesprochen, ihr Tenor: „Wir sind nicht die Retter der Innenstädte.“ Man könne sich im harten Wettbewerb (Österreich ist laut Hagelversicherung mit 1,66 Quadratmetern Supermarktfläche pro Kopf Europameister) keine schlechten Lagen erlauben. Die Frequenz sei im Ortskern zwar oft gut. Aber durch schlechte Zufahrts- und Parkmöglichkeiten sei der Warenkorb nur ein Drittel so groß wie in der Filiale an der Ortseinfahrt, heißt es aus der Branche. Lindner rät Gemeinden, deren Nahversorger den Sprung auf die grüne Wiese überlegen, ihnen ein gut angebundenes Grundstück in der Stadt zu günstigen Konditionen anzubieten.

Aber wieso sollte er darauf eingehen? Für Händler sind die Agglomerationen am Stadtrand ein „Wohlfühlpaket“, sagt Handelsverbandchef Rainer Will. Miet- und Nebenkosten sind niedriger. Die Fläche kann man selbst bestimmen und ausbauen. Lieferanten und Kunden können leicht zufahren.

Die Branchenvertretung ließ im Herbst aufhorchen, als sie mit Juristen und Ökonomen für eine Novelle der Raumordnung plädierte: ihr „idealtypischer Standort“ sollte Parkplätze, gute Anbindung, breite Gänge und Verkaufsflächen um 1000m? haben. Eine halbe Mrd. Euro würde die flexiblere Bebauung bringen. Damals betonte man: Die Novelle könne auch helfen, die Ortskerne zu retten und leer stehende Gebäude zu nützen.

Die aktuelle Lage, bei der jeder Betrieb das Maximum an Boden versiegelt, sei jedenfalls ein Wahnsinn, sagt Lindner. „Den Konsumenten gefällt es nur.“ (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2019)

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