Österreich, Pionier der hundertjährigen Schuldner

Mit einer Auslastung von fast hundert Prozent kommt zumindest die Wiener Staatsoper ohne hundertjährige Anleihe aus.
Mit einer Auslastung von fast hundert Prozent kommt zumindest die Wiener Staatsoper ohne hundertjährige Anleihe aus. imago images / imagebroker
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Österreich will eine Staatsanleihe mit rekordverdächtig langer Laufzeit begeben. Die Investoren dürften sich über hundert Jahre mit rund 1,2 Prozent Zinsen per anno zufrieden geben. Das ist auch ein Vertrauensbeweis der Märkte.

Die Zinsen in Europa sind rekordverdächtig niedrig, die Verzweiflung der Investoren auf ihrer Suche nach halbwegs stabiler Rendite rekordverdächtig groß. Für professionelle Schuldner, wie Österreich, ist das die perfekte Mischung. Und die Republik schickt sich gerade an, sich das historische Zinstief bis weit ins 22. Jahrhundert hinein zu sichern.
Geht es nach den Plänen der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), wird das Land schon bald seine zweite Staatsanleihe mit hundert Jahren Laufzeit begeben. Sonderlich viel Rendite bietet Österreich seinen Geldgebern dafür nicht: Über hundert Jahren bekämen die Investoren vermutlich rund 1,2 Prozent Zinsen im Jahr, schätzt Marcus Ashworth, Finanzmarktexperte bei Bloomberg. Noch vor wenigen Jahren verdienten Anleger selbst mit täglich fälligen Sparbüchern mehr.

Wenig Nachahmer in Europa

Angetrieben wird Österreich dabei vom Erfolg seiner ersten hundertjährigen Anleihe, die 2017 ausgegeben wurde. Damals avancierte die Republik zum Pionier der langfristigen Schuldner in Europa. Kein anderer EU-Staat hatte bis dahin eine Anleihe mit derart langer Laufzeit auf den Markt gebracht. Dennoch genügte das Versprechen, ein Jahrhundert lang 2,1 Prozent Zinsen zu bezahlen, um potenzielle Financiers Schlange stehen zu lassen. Wer heute die 2017er-Papiere kaufen will, muss sich bereits mit einer Restverzinsung von knapp über einem Prozent begnügen.

Das hohe Vertrauen der Investoren verwundert nicht, wenn man sich ansieht, wie wenig sichere Anlage-Alternativen den Pensionsfonds und Lebensversicherungen sonst noch bleiben: Die 30-jährigen Standard-Anleihen aus Österreich bringen etwa um 0,5 Prozentpunkte weniger Zinsen. Für das Privileg, Deutschland zehn Jahre lang Geld borgen zu dürfen, müssen die Anleger sogar 0,33 Prozent an Negativzinsen in Kauf nehmen. Bei kürzeren Laufzeiten lässt sich auch Österreich von seinen Kreditgebern Zinsen zahlen.

Ist in Europa also das Jahrhundert-Fieber der Schuldner ausgebrochen? Eher nein. Nationen wie Frankreich und Deutschland lehnen so lange Laufzeiten für ihre eigenen Staatsanleihen bisher ab. Polen und Italien sind mit ihren 50-jährigen Anleihen am nächsten dran. Nur Irland und Belgien schafften es, über Privatplatzierungen ebenfalls hundertjährige Staatsanleihen zu verkaufen.

Spanien als nächster Kandidat?

Sollte die Neuauflage der österreichischen Jahrhundert-Bonds ähnlich erfolgreich sein, wie jene von 2017, könnte auch in anderen Staaten Europas der Appetit auf "Hundertjährige" steigen. Das stark wachsende Spanien würde etwa sein Momentum sicher gerne nutzen, um sich in Sachen Verschuldung etwas von Österreich abzuschauen.

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