Österreich lockt Ausländer mit Jobs

Fachkräfte aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Griechenland sollen künftig verstärkt in Österreich arbeiten.
Fachkräfte aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Griechenland sollen künftig verstärkt in Österreich arbeiten.(c) Robert Schlesinger / dpa Picture Alliance / picturedesk.com (Robert Schlesinger)
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Die Wirtschaftsministerin nimmt eine türkis-blaue Initiative auf und will Fachkräfte aus Europa anwerben. Das übernimmt jene Agentur, die jetzt schon Firmen ins Land holt.

Wien. Die Initiative kam von der türkis-blauen Regierung, und es dürfte der damaligen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck einigermaßen weh tun, dass sie das Ergebnis nicht mehr präsentieren konnte. Das übernahm nun ihre Nachfolgerin Elisabeth Udolf-Strobl. Die Austria Business Agency (ABA), die für die Ansiedlung von ausländischen Betrieben in Österreich zuständig ist, wird zur Standortagentur umgebaut und soll im Ausland um Fachkräfte werben. Damit will man Firmen, die Arbeitskräfte suchen, ein Stück Arbeit abnehmen, sagte ABA-Chef René Siegl am Mittwoch.

Konkret wird die ABA in der Europäischen Union Fachkräfte für Jobs suchen, die in Österreich nicht mit Inländern besetzt werden können. Zunächst wird sie sich auf die Bereiche IT und Metall- und Elektrotechnik konzentrieren und vor allem in Polen, Rumänien, Bulgarien, Kroatien und testweise auch in Griechenland suchen. Man werde aber „nicht den gratis Recruiter für kleine Firmen spielen“, sagte ABA-Chef Siegl.

Die Wirtschaftsministerin zitierte eine Umfrage der Wirtschaftskammer, laut der österreichweit 162.000 Fachkräfte fehlen und 59 Prozent der offenen Stellen länger als sechs Monate unbesetzt bleiben. 40 Prozent der Mittelstandsfirmen verbuchten wegen des Mangels Umsatzeinbußen, vermeldete die Beratungsfirma Ernst & Young. „Wir brauchen qualifizierten Zuzug. Es muss das Ziel sein, dass sich die besten Mitarbeiter für den Standort Österreich entscheiden“, sagte Udolf-Strobl.

„Keine Verdrängung“

Als Fachkräfte gelten für die ABA Absolventen einer Berufsausbildung bis zu Uni-Abgängern. Zunächst liegt der Fokus auf Fachkräften mit einer „hohen Relevanz“ für die Volkswirtschaft. Das Budget der ABA wird dazu von 4,3 auf sieben Millionen Euro jährlich aufgestockt. Laut ABA-Chef Siegl liegt Österreich unter den Europäern auf Platz neun der Wunsch-Destinationen zum Arbeiten. Aber für hoch Qualifizierte, mit Master- oder PhD-Abschluss, liegt Österreich im Vergleich mit den anderen Industrieländern nur im Mittelfeld.Was darf man nun von dem Vorstoß halten? Schon jetzt arbeiten rund 730.000 Ausländer in Österreich, davon kommen 433.000 aus der EU, davon wiederum sind die meisten Deutsche, gefolgt von Ungarn und Rumänen. Laut einer Prognose des Arbeitsmarktservice vom Herbst werden heuer rund 80 Prozent der neu geschaffenen Stellen mit Ausländern besetzt – ein langjähriger Trend. ABA-Chef Siegl versicherte am Mittwoch, dass mit „Work in Austria“ keine inländischen Fachkräfte verdrängt werden, sondern die Lücken geschlossen werden, „die die Demografie und das österreichische Bildungssystem hinterlässt.“

Die Gewerkschaft stand dem Bestreben der türkis-blauen Regierung, den Fachkräftemangel durch Zuzug zu lindern, stets kritisch gegenüber. Das erhöhe das Arbeitskräftepotenzial und damit den Druck auf die Löhne. Einen Aufschrei gab es etwa, als Ende des Vorjahres die Mangelberufsliste für die Rot-Weiß-Rot-Karte regionalisiert wurde. Damit sollen Jobs in Mangelberufen, wie der Koch, leichter mit Drittstaatsangehörigen besetzt werden können. Eigentlich hatte die Koalition eine breite Reform der Rot-Weiß-Rot Karte geplant. Während EU-Bürger ohne Einschränkung in Österreich arbeiten dürfen, ist das für Menschen aus Drittstaaten deutlich schwieriger. Die Verfahren dauern vier bis sechs Monate, so ABA-Chef René Siegl. „Wenn sie eine IT-Kraft suchen und das Verfahren dauert sechs Monate, ist der nächste Auftrag schon weg.“

Große Reform „versandet“

Die Reform, mit der etwa die Gehaltsgrenzen gesenkt und die Verfahren beschleunigt werden sollten, hat zwar noch den Ministerrat passiert, wurde aber im Parlament nie beschlossen. „Sie ist versandet“, bedauert Gerald Loacker, Sozialsprecher der Neos. Er vermisst eine breite Zuwanderungsstrategie – zum Beispiel ein Punktesystem, wie es Kanada für qualifizierte Zuwanderer hat. „Derzeit wurschtelt man konzeptlos herum.“

Zumindest EU-Fachkräfte soll Österreich jetzt verstärkt anziehen. Ein Ziel, wie viele Fachkräfte man anwerben will, gibt es laut Ministerin Udolf-Strobl nicht. „Wir fangen jetzt einmal an.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2019)

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