Rasante Zunahme von Telefonterror mit Gewinnspielen

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Das Sozialministerium ging den Praktiken unsauberer Telefongeschäfte nach und arbeitet an neuen gesetzlichen Barrieren zum Schutz der oft unfreiwilligen Käufer.

Wien. „Sie haben gewonnen!“ Wer hört das nicht gern? Das vermeintliche Glück stellt sich aber nicht selten als ausgesprochen schlechtes Geschäft heraus. Wenn zum Beispiel der Hauptgewinn mit dem Kauf von ein paar tausend Losen besiegelt werden muss. Abstrus? Keineswegs, auch in Österreich nimmt „Cold Calling“, wie man unerwünschte Telefongeschäfte nennt, rasant zu. Anlass für das Sozialministerium, in Zusammenarbeit mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) den Praktiken der Anrufer nachzugehen, nicht zuletzt um der im Regierungsprogramm ausgemachten Verschärfung der Gesetze Nachdruck zu verleihen. Im März wurden an die 1000 Interviews mit Betroffenen ausgewertet.

Nur ein Viertel legt gleich auf

Wie sich dabei gezeigt hat, legen nur 24,8 Prozent gleich auf. 69,7 Prozent lassen sich manchmal, 5,5 Prozent sogar immer in ein Gespräch verwickeln. Die Anrufe kommen nur zu 6,9Prozent von Meinungsforschern, denen das zur anonymen Datenerfassung prinzipiell auch erlaubt ist. Der große Rest stammt von anderen. 85Prozent der Betroffenen wurden schon einmal von Gewinn- und Glücksspielfirmen kontaktiert und das wiederholt und über längere Zeiträume hinweg. „Drängend, unfreundlich, frech, der reinste Telefonterror“ sei das, so die Befragten. Manche melden sich bis zu sechsmal täglich. Und sie werden dabei durchaus persönlich: „Einer meinte einmal, als ich sagte, dass ich kein Geld für diese Lottospielchen hätte, wofür ich dann eigentlich arbeiten gehe. Ich sollte ihn nicht anlügen“, berichtet ein Betroffener.

Mit 21,5 Prozent sind Telefongesellschaften die zweitgrößte Gruppe der „Cold Caller“. Ihr Masche: Sie fragen, ob man mit seinem derzeitigen Telefonanbieter zufrieden ist. Sagt man Nein und noch dazu Ja, man würde liebend gerne billiger telefonieren, hat man den „Vertrag“ praktisch in der Tasche. Allerdings nicht schriftlich, was derzeit rein rechtlich auch nicht unbedingt für ein Vertragsverhältnis erforderlich ist. Deswegen will das Sozialministerium die Bedingungen drastisch verschärfen. Minister Rudolf Hundstorfer drängt auf die verpflichtende Zusendung eines schriftlichen Vertrages, den man im Fall des Falles annullieren kann. Denn 68,4 Prozent der Befragten war nie bewusst, dass sie einen Vertrag abgeschlossen beziehungsweise einer Zahlung zugestimmt haben. 15,6 Prozent waren sich nicht sicher. Gemerkt haben es die meisten erst, wenn der entsprechende Betrag abgebucht wurde. Eine Rechnung haben nämlich nur acht Prozent jedes Mal erhalten, 71,1 Prozent hingegen nie.

Mit Tricks zu den Kontodaten

Die Konsumentenschützer fragen sich freilich auch, woher die Anrufer die Nummern ihrer „Opfer“ haben. Oft, so die Vermutung, läuft die Weitergabe über Daten auf Kundenkarten oder Newslettern. Die Adresse und weitere Daten werden dann mittels spezieller Tricks am Telefon erhoben. Man soll zum Beispiel zur Verifizierung noch einmal den Namen oder die Gasse buchstabieren. Oder man muss zur Gewinnübermittlung nur noch die Kontonummer angeben et cetera. Mit ihren eigenen Daten sind die Firmen hingegen sehr zurückhaltend. Der Name des Unternehmens wird zwar noch in etwa der Hälfte der Fälle genannt. Die Anschrift oder gar eine Rückrufnummer so gut wie nie. Um den Konsumenten auch da mehr Sicherheit zu geben, will das Sozialministerium zumindest die Rufnummernunterdrückung in diesem Bereich verbieten.

AUF EINEN BLICK

Unsaubere Geschäfte. Vor allem Glücksspielfirmen betreiben zuweilen mehrmals täglich Telefonterror, wie eine Erhebung des Sozialministeriums ergab. Die Konsumenten wissen meist nicht, dass sie einen Vertrag abgeschlossen haben und bemerken es erst an der Kontoabbuchung. Strengere Gesetze sollen dem nun einen Riegel vorschieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. Mai 2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.