I steh in da Hitz‘ und woat auf a g’scheite Regulierung, oba sie kummt net, kummt net ...

TAXI-DEMO IN WIEN
TAXI-DEMO IN WIENAPA/LUKAS HUTER
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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Michael Böheim über eine U(e)berregulierung des Personenbeförderungsgewerbes, die weder Kunden noch „Taxlern“ nützt.

Wenn Anbieter mit innovativen Geschäftsmodellen oder digitalen Produkten und Dienstleistungen in regulierte Märkte drängen, kann eine Anpassung des Regulierungsrahmens notwendig werden. Eine fortlaufende Überprüfung des Ordnungsrahmens in den durch die digitale Ökonomie geprägten Wirtschaftsbereichen ist deshalb sinnvoll. Internetbasierte Geschäftsmodelle stoßen in vielen Fällen auf regulatorische Schranken der traditionellen Wirtschaftsordnung (1). Ein bekanntes Beispiel dafür ist der „Markt für gewerbliche Personenbeförderung mit PKW (Taxi und Mietwagen)“, der durch rezente regulatorische Eingriffe gegen neue digitale Konkurrenz in der Vermittlung der Fahrten abgeschottet werden soll. Aus Sicht der Wettbewerbspolitik sollte aber nicht der Schutz eingesessener „Wettbewerber“ vor Konkurrenz im Zentrum stehen, sondern vielmehr die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs an sich. Eine intelligente Anpassung der Regulierung an die Möglichkeiten der Digitalisierung könnte zu erheblichen Vorteilen sowohl für Nachfrager nach Transportdienstleistungen als auch für Anbieter („Taxler“) führen. Wie das gehen könnte und warum die rezente Novelle des Gelegenheitsverkehrsgesetzes vielleicht gut gemeint, aber leider das Gegenteil von gut gemacht ist, soll nachfolgend kurz skizziert werden.

Retro-Regulierung vs. innovatives Marktdesign

Durch die Novelle des Gelegenheitsverkehrsgesetzes wurde die Zusammenlegung der beiden bisherigen Gewerbearten "mit Personenkraftwagen ausgeübtes Mietwagengewerbe" und "Taxigewerbe" zu einem neuen einheitlichen Gewerbe "Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw" beschlossen. Die Zusammenlegung des Mietwagen- und Taxigewerbes soll nach dem deklarierten Willen der Initiatoren der Novelle faire Rahmenbedingungen garantieren, wobei „… die Vorteile beider Gewerbe so weit wie möglich erhalten werden und zugleich den Anforderungen des heutigen Kommunikations- und Wirtschaftslebens Rechnung getragen werden solle.“ (2) Was de facto passiert ist, ist aber im Wesentlichen eine Unterwerfung des Mietwagengewerbes unter die strikte Regulierung des Taxigewerbes. Die wesentlichste Einschränkung des freien Wettbewerbs betrifft die oktroyierte Preisgestaltung (3). Flexible und frei vereinbarte Fahrpreise gehören damit (für’s erste!?) der Vergangenheit an, da auch Mietwagen in Zukunft zu den amtlich fixierten Taxitarifen abrechnen müssen.

Der ökonomische Blick

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

diepresse.com/oekonomischerblick

Grundsätzlich ist der Plattformdienst Uber nichts anderes als eine technologisch hochgerüstete Funktaxizentrale, die Fahrten gegen Gebühr vermittelt ohne selbst Eigentümer bzw. Betreiber einer Wagenflotte sein zu müssen. (4) Also nichts, was eine innovative „ortsfeste“ Funktaxizentrale nicht auch auf die Beine hätte stellen können. Auch wenn in der öffentlichen Diskussion Uber fälschlicherweise als die „Göttin-sei-bei-uns“ der Taxler (die das durch hartnäckige Indoktrination leider glauben!) apostrophiert wird, ist Uber vielmehr bloß eine digitalisierte Konkurrenz und damit der natürliche Feind der eingesessenen Funktaxizentralen, deren analoges Geschäftsmodell durch den technologischen Wandel disruptiert wurde und die sich – aus ihrer Sicht verständlich – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (Gerichtsverfahren nebst erfolgreichem Lobbyismus inklusive) wehren.

(c) Kufner

Uber tut dabei nichts Anderes als Leerkapazitäten von Mietwagen zu nutzen und plattformbasiert Angebot und Nachfrage gegen Gebühr zu einander zu bringen. Das Geschäftsmodell von Uber funktioniert(e) nur deshalb, weil es einerseits diese Leerkapazitäten am Markt gibt und andererseits „Regulierungsarbitrage“ zwischen Taxi- (fixierte Tarife) und Mietwagenmarkt (freie Tarife) möglich ist (war). In der Nutzung von Leerkapazitäten liegt der eigentliche Nutzen von Uber. Dabei sind nicht nur die Leerkapazitäten der Mietwagen ein Thema, sondern auch jene der Taxis. Empirische Untersuchungen für Deutschland (5) zeigen, dass ein Taxi bis zu drei Viertel seiner Betriebszeit und zwei Drittel seiner gefahrenen Kilometer ohne Fahrgast unterwegs ist. In Märkten, wo plattformbasierte Vermittlungsdienste wie Uber tätig sind, erhöhen sich die Auslastungsraten massiv auf bis zu drei Fünftel, was grob einer Umkehrung von produktiven Besetzt- zu unproduktiven Leerzeiten entspricht. Natürlich führt zusätzliche Konkurrenz zu einer Reduktion des Preises pro Fahrt. Was aber übersehen wird, ist der positive Einkommenseffekt durch die höhere Auslastung, der in der Regel ceteris paribus den negativen Preiseffekt dominieren wird. Selbst, wenn ein Taxler pro Fahrt weniger bekommt, kann er doch insgesamt ein höheres Einkommen durch mehr produktive Fahrten pro Schicht erzielen.

Fazit

Die Schaffung eines einheitlichen Personenbeförderungsgewerbes ist durchaus eine gute Idee mit Potenzial. (6) Ökologischer und ökonomischer Unsinn, wie die Rückkehrpflicht von Mietwagen zu Ihrer Betriebsstätte, um eine neue Fahrt anzutreten, gehört damit der Vergangenheit an. Auch eine Qualitätssicherung in Form einer Zulassungsprüfung für alle gewerblichen ChauffeurInnen wird der Verkehrssicherheit tendenziell wohl zuträglich sein. Leider hat sich die Politik aber bei der Gestaltung der Regulierungsmaßnahmen sonst mehr an den Wünschen eingesessener Unternehmen (konkret: der Funktaxizentralen) und nicht an jenen der Konsumenten und „Taxler“ orientiert. Statt digitale Vermittlungsdienste in alte regulatorische Strukturen zu zwingen, hätte auch überlegt werden können, ob nicht der umgekehrte Weg – eine zeitgemäße Neuregulierung traditioneller (analoger) Bereiche – der zielführendere Weg ist. Warum nicht die Kundschaft wählen lassen, ob sie sich lieber zu fixen oder flexiblen Tarifen chauffieren lässt? Muss DAS wirklich gesetzlich reglementiert werden? Cui bono?

Aus Sicht der Wettbewerbspolitik sind marktabschottende Regulierungen von Internetdiensten zur Herstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen nur zu rechtfertigen, soweit eine vergleichbare Gefahr für den Wettbewerb bei nicht internetbasierten Anbietern, mit denen erstere in Konkurrenz stehen, vorhanden ist. (7) Am Markt für gewerbliche Personenbeförderung mit PKW, die über analoge oder digitale Vermittlungsdienste organisiert sind, ist das mit Sicherheit nicht der Fall.

@Reforminitiatoren: Ladies and Gentlemen – start your engines (once again), please!

Anmerkungen:

Zum Titel: Hinweis für die jüngere Leserschaft zum Verständnis: https://www.songtexte.com/songtext/dof/taxi-13d345ad.html

Der Verfasser dankt Thomas Grill, Werner Hölzl, Alexander Hudetz und Michael Truppe für wertvolle Anregungen. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

1 https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=285c442d-3e10-8387-e79a-c275a2af1842&groupId=252038

2 https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0709/#XXVI_A_00917

3 Grundsätzlich ermöglicht die Novelle zum Gelegenheitsverkehrsgesetz, dass der für die Materie sachlich zuständige Landeshauptmann auch im jeweiligen Bundesland auf die Tariffixierung verzichten kann. Mann und Frau dürfen gespannt sein, welche „Inseln des Neoliberalismus“ (sic!) in Österreich auf diese Weise entstehen werden.

4 Ein „kleiner“, aber feiner Unterschied, auf den aufgrund der Kürze hier nicht eingegangen werden kann, besteht allerdings darin, dass die „ortsfesten“ Funktaxizentralen an ihrem Standort Österreich Steuern und Abgaben zahlen.

5 http://www.dice.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Wirtschaftswissenschaftliche_Fakultaet/DICE/Ordnungspolitische_Perspektiven/073_OP_Haucap_Pavel_Aigner_Arnold_Hottenrott_Kehder.pdf

6 Obgleich drängende Fragen wie bspw. nach der Scheinselbständigkeit der ChauffeurInnen nach wie vor außer Betracht bleiben.

7 https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/SG68/S68_volltext.pdf

Der Autor

Michael Böheim arbeitet am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in den Bereichen Wettbewerb, Regulierung und Digitalisierung sowie wirtschaftliche Landesverteidigung.

Michael Böheim
Michael BöheimWifo

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