Reparatur: Zahlen „Besserwisser“ weniger?

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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Eine Studie der Uni Innsbruck geht der Frage auf den Grund, wie sinnvoll Selbstdiagnosen sind.

Dass Experten es nicht besonders schätzen, wenn Kunden mit gesundheitlichen Problemen oder defekten Geräten mit Hilfe von „Dr. Google“ selbst Diagnosen erstellen, ist aus Befragungen schon länger bekannt. Forscher der Uni Innsbruck haben nun in einer Feldstudie zu Computerreparaturen gezeigt, dass vage und damit potentiell fehlerhafte Kundendiagnosen Experten nicht nur verärgern, sie können die Kosten für die Reparatur auch deutlich erhöhen. In einer zweiten Feldstudie – dieses Mal zu Handyreparaturen – konnte gezeigt werden, dass genaue und korrekte Kundendiagnosen für diese aber sehr wohl hilfreich sind – sie verbilligen die Reparatur nämlich deutlich.

Fünf Professoren der Uni Innsbruck mit ihren Teams beschäftigen sich im Rahmen eines vom FWF geförderten Spezialforschungsbereichs sowohl in der Theorie als auch in Labor- und Feldexperimenten mit sogenannten Vertrauensgütern. Das sind Güter und Dienstleistungen, bei denen Fachleute besser über die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden Bescheid wissen, als diese selbst. Beispiele sind Autoreparaturen, medizinische Leistungen, Finanzberatung oder auch nur Taxifahrten in einer fremden Stadt. In Märkten für Vertrauensgüter müssen sich Kundinnen und Kunden in der Regel darauf verlassen, dass der Preis gerechtfertigt, das Ersatzteil notwendig, die Behandlung zielführend, die Beratung passend oder die gewählte Route die Beste ist.

Vage Selbstdiagnosen schaden mehr als sie nutzen

In einer Feldstudie zur Frage, ob digitale Informationen den Kundinnen und Kunden helfen können, sich vor Übervorteilung durch Experten zu schützen, wurde unter anderem der Frage nachgegangen, ob es sich am Markt für Computerreparaturen auszahlt, vorher im Internet nach Informationen über mögliche Ursachen zu suchen. Die Studie wurde in verschiedenen deutschen Städten durchgeführt. Überraschenderweise verringern vage Vermutungen den Reparaturpreis selbst dann nicht, wenn sie korrekt sind. Ist die vage Vermutung über die Ursache des Problems jedoch falsch, erhöht sich der Reparaturpreis deutlich.

Der ökonomische Blick

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diepresse.com/oekonomischerblick

Im Rahmen der Studie wurden bei mehreren identen Laptops die RAM-Module gelockert – laut IT-Experten sollte eine Reparatur in solchen Fällen zwischen 30 bis 50 Euro kosten. Bevor die Wissenschaftler in ihrer Doppelblindstudie die Test-„Kunden“ mit den defekten Geräten ins Geschäft schickten, versendeten sie verschiedene E-Mail-Anfragen. Zuerst fragten die Forscher an, ob sich die Betriebe die defekten Geräte ansehen würden. Wurde dies bejaht, gab es drei Vorgangsweisen.

Ein Drittel der Betriebe bekam die neutrale Antwort: „Danke für die Rückmeldung, ein Freund von mir, der in der Nähe etwas zu tun hat, bringt das kaputte Gerät zur Reparatur.“ „Ich habe mich im Internet etwas kundig gemacht, wahrscheinlich besteht ein Problem mit den RAM-Modulen“, so die vage aber korrekte Fehlerdiagnose in einem weiteren Drittel. Beim letzten Drittel hingegen war die angegebene Selbstdiagnose vage und inkorrekt: „Ich habe mich im Internet etwas kundig gemacht, wahrscheinlich ist es ein Problem mit dem Motherboard.“

Die Studie ergab, dass man besser gar keine als eine vage und damit potentiell fehlerhafte Diagnose preisgeben sollte: Die durchschnittlichen Kosten lagen im neutralen Fall bei knapp 40 Euro. Bei der vagen aber korrekten Ursachennennung wurde die Reparatur nicht billiger. Wenn aber vorab die inkorrekte Ursache angegeben wurde, mussten im Schnitt 90 Euro bezahlt werden.

Genaue und korrekte Selbstdiagnosen verbilligen die Reparatur

Lässt sich daraus schließen, dass es sich für eine Konsumentin oder einen Konsumenten nie auszahlt, die Informationslücke zum Experten zu schließen? Nein, wie die Ergebnisse einer neuen Feldstudie zu Handyreparaturen in der Türkei zeigen.

In dieser zweiten Feldstudie zu Diskriminierung in einem Markt für Vertrauensgüter wurden bei 20 identen Smartphones die Batterie entladen und die Ladebuchse zerstört. Als Ergebnis dieser Manipulation ließ sich das Handy nicht mehr einschalten. Nun wurden die Handys zu insgesamt 160 Reparaturbetrieben gebracht. Bei 80 Betrieben baten die Testkunden bei der Abgabe des Handys um den Austausch der Ladebuchse, bei den übrigen 80 Betrieben baten sie um die Reparatur des Handys ohne die Fehlerquelle zu nennen. Da es ansonsten keine Unterschiede zwischen diesen beiden Situationen gab, misst der Unterschied im durchschnittlichen Reparaturpreis den Aufschlag, den Experten verrechnen, wenn sie glauben, dass der Kunde uninformiert ist. Die Autoren finden, dass dieser Aufschlag im Schnitt etwa 40% des Preises ausmacht, den die Reparaturbetriebe verlangen, wenn der Kunde das Auswechseln der Ladebuchse wünscht. Eine genaue und korrekte Selbstdiagnose zahlt sich also schon aus.

Fazit

Der „Besserwisser“ zahlt weniger – wenn er es wirklich besser weiß, und nicht, wenn ein schneller Griff zum Smartphone und ein Besuch der unzähligen Nutzerforen ihn vielleicht ein bisschen schlauer macht.

Die Autoren

Loukas Balafoutas, Jürgen Huber, Rudolf Kerschbamer, Michael Kirchler und Markus Walzl leiten den vom FWF finanzierten Spezialforschungsbereich SFB 63 "Credence Goods, Incentives and Behavior", einen Zusammenschluss von Verhaltensökonomen zur Untersuchung von Vertrauensgütern.

Rudolf Kerschbamer
Rudolf KerschbamerUni Innsbruck
Michael Kirchler
Michael KirchlerUni Innsbruck
Markus Walzl
Markus WalzlUni Innsbruck
Jürgen Huber
Jürgen HuberUni Innsbruck
Loukas Balafoutas
Loukas BalafoutasUni Innsbruck

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