ÖVP-Chef Sebastian Kurz will Tirol im Kampf gegen den Transit helfen und sorgt mit der „Abschaffung des Dieselprivilegs" für Verwirrung.
Es war ein kurzer Satz in der Meldung der Austria Presseagentur (APA), der aber eine große Wirkung haben könnte. In der Diskussion über Maßnahmen gegen den Transitverkehr in Tirol zitierte die APA den Chef der ÖVP, Sebastian Kurz, am Donnerstag so: „Eine europaweite Maut sei eine Möglichkeit, sowie die Abschaffung des Dieselprivilegs."
Das Dieselprivileg – also die geringere Besteuerung des Diesels im Vergleich zum Benzin – ist für die Politik normalerweise ähnlich sakrosankt, wie das 13. und 14. Monatsgehalt. Auf Nachfrage der „Presse" stellte ein Sprecher von Kurz klar, dass der frühere Bundeskanzler nur über die Abschaffung des Dieselprivilegs für ausländische Lkw in Tirol nachdenken wolle. Keineswegs soll die geringere Steuer auch für Pkw fallen.
Dem ehemaligen Koalitionspartner FPÖ hatte man diese Klarstellung offenbar nicht mitgeteilt. Denn etwa drei Stunden nach der APA-Meldung kam heftige Kritik des designierten Parteiobmanns und früheren Verkehrsministers, Norbert Hofer, an Kurz. „Eine Erhöhung des Dieselpreises etwa durch eine Abschaffung des Dieselprivilegs kommt für die FPÖ nicht in Frage. Wenn man den Dieselpreis erhöht, belastet man viele Pendler."
Kritik vom ÖAMTC
Auch der Autofahrerklub ÖAMTC reagierte: „Wenn mit der beschönigenden Umschreibung (Abschaffung des Dieselprivilegs, Anm. d. Red.) gemeint ist, die Mineralölsteuer auf Diesel um 8,5 Cent zu erhöhen, wird das die österreichischen Autofahrer rund 300 Millionen Euro kosten.“ In dem Fall müssten die Autofahrer an einer anderen Stelle entlastet werden.
Erst Stunden nach der ersten Meldung stellte die ÖVP über die APA klar, dass Kurz „einer generellen Abschaffung des Dieselprivilegs nicht das Wort reden" wolle. Man schränkte noch weiter ein: Geprüft werden solle lediglich, „ob eine Erhöhung des Dieselpreises für Transit-Lkw auf der Brennerachse möglich ist". Damit unterstützt Kurz einen Vorschlag von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) von Anfang August für höhere Dieselpreise für Lkw.
Tirol leidet unter dem starken Transitverkehr, dazu kommt, dass viele ausländische Lkw von der Autobahn abfahren und wegen des günstigeren Dieselpreises in Österreich bei Billigtankstellen volltanken. Platter will deshalb ein generelles Abfahrverbot zu Billigtankstellen in Tirol prüfen lassen. Betroffen wären davon 13 Tankstellen entlang der Inntal- und der Brennerautobahn (A12 und A13). Seit Anfang August läuft ein Pilotprojekt, das die Abfahrt zu zwei Billigtankstellen verbietet.
Rechtlich schwierig
Kurz hat bei einem Besuch in Tirol Unterstützung für das Land in Verkehrsfragen garantiert. Er erklärte laut APA, dass dem Transit in einem möglichen Regierungsprogramm der ÖVP ein eigenes Kapitel gewidmet werde. Österreich müsse hinsichtlich Tanktourismus und Ausweichverkehr auf das niederrangige Straßennetz eine „härtere Gangart einlegen".
Zudem müsse die Transitroute durch Tirol teurer werden, derzeit sei sie noch zu attraktiv. Eine flächendeckende Lkw-Maut will Kurz jedoch nicht einführen, denn diese würde auch Güter verteuern. Eine europaweite Maut sei aber eine Möglichkeit.
Laut anderen Medienberichten unterstützt Kurz auch die alte Forderung von Tiroler Politikern, eine Korridormaut zwischen München und Verona zu realisieren. Ein Sprecher von Kurz erklärte der „Presse“, es gehe dem Altbundeskanzler darum, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen, um Tirol vom starken Lkw-Transit zu entlasten.
Fahrverbot abseits von Stau-Autobahnen
Die Idee, einen höheren Dieselpreis nur für Transit-Lkw entlang der Tiroler Autobahn umzusetzen, halten Juristen europarechtlich wegen der Antidiskriminierungsbestimmungen für schwierig.
Die Transitproblematik ist in den vergangenen Monaten zum bestimmenden Thema in der Tiroler Landespolitik geworden. Einerseits wegen des Schwerverkehrs: 2018 zählte man 2,42 Millionen Lkw, die durch Tirol fuhren. Diese Zahl dürfte heuer noch weiter steigen. Tirol reagierte mit einer Blockabfertigung an der Grenze.
Andererseits auch wegen des Pkw-Verkehrs vor allem an Reisewochenenden in den Süden. Das Land verhängte deshalb Ende Juni ein Fahrverbot auf Stau-Ausweichrouten abseits der Autobahn.