„Wettbewerb kann sehr toxisch sein“

Die Philosophin Lisa Herzog.
Die Philosophin Lisa Herzog. (c) Paula Winkler
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Nicht Unternehmensgründern, sondern Whistleblowern gebührt Heldenstatus, sagt die Philosophin und Sozialwissenschaftlerin Lisa Herzog. Den Personenkult um Unternehmensgründer wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos hält sie für völlig „fehlgeleitet“.

Der Titel Ihres jüngsten Buches lautet: „Die Rettung der Arbeit – ein politischer Aufruf“. Wozu wollen Sie aufrufen?

Lisa Herzog: Mit Rettung der Arbeit meine ich nicht, dass jede Form der Arbeit gerettet werden soll, sondern vielmehr das, was an Arbeit wertvoll ist und für sozialen Zusammenhalt sorgen kann. Wir brauchen einen Aufruf, weil sich durch den Einsatz digitaler Technologien derzeit sehr viel verändert. Überlässt man diese Entwicklungen einfach den Marktkräften, ist nicht gesagt, dass erhalten bleibt, was über Jahrhunderte erkämpft wurde. Deshalb steht im Moment sehr viel auf dem Spiel und es braucht politische Regulierung.

Die digitale Transformation macht vielen Menschen große Angst, weil sie sich ihr gegenüber hilflos ausgeliefert sehen. Zurecht?

Ich kann die Angst verstehen, zumal die Politik derzeit noch zu wenig auf die Entwicklungen reagiert. Wir haben die Finanzkrise zwar schon hinter uns, aber scheinen noch immer in so einer Mentalität zu stecken, dass alles „alternativlos“ sei, die Dinge einfach so laufen würden. Aber die Annahme, man müsse sich irgendwelchen wirtschaftlichen oder technologischen Entwicklungen einfach beugen, halte ich für sehr gefährlich. Das führt zu einem übermäßigen Hilflosigkeitsgefühl. Natürlich sind digitale Firmen mächtig. Das heißt aber nicht, dass sich die Politik ihnen nicht entgegenstellen könnte. Gerade auf Ebene der EU, die ja ein sehr großer Markt ist, besteht durchaus die Möglichkeit, vieles in andere Bahnen zu lenken – wenn man nur will.

Und wie?

Ein Beispiel: Die Sozialversicherungssysteme müssten auf die Situation reagieren, dass es im zukünftigen Arbeitsleben wahrscheinlich häufiger Umbrüche und Jobwechsel gibt. Es ist nicht mehr so, dass ein Mensch nach seiner Ausbildung sein Leben lang nur in einem Job bleibt. Darauf müssten sich Sozialversicherungen, Weiterbildungseinrichtungen, auch Universitäten, einstellen, damit die Leute nicht alleine zurückbleiben, sondern die Möglichkeit haben, aus diesen Umbrüchen etwas für sich zu machen.

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