Alle ÖBB-Tunnels auf Prüfstand

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Das derzeitige ÖBB-Bauprogramm ist laut Verkehrsministerium "nicht finanzierbar", es muss abgespeckt werden. Wo genau diese Milliarden eingespart werden, soll eine Arbeitsgruppe von Ministerium und ÖBB ausarbeiten

Wien (jaz). Vor etwas mehr als einem Jahr sorgte die Wirtschaftskrise noch dafür, dass die Investitionen in das Bauprogramm der ÖBB deutlich erhöht wurden. Um 900 Mio. Euro mehr als bis dahin geplant war, werde man bis 2012 verbauen, erklärte die zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) damals stolz. Inzwischen ist die Krise auf die Staatsfinanzen übergeschwappt und sorgt für den gegenteiligen Effekt.

Das Ministerium muss sparen und kann nicht mehr so viel zu den Kreditrückzahlungen der ÖBB zuschießen. Die Bahn müsse daher bis Ende 2014 drei Mrd. Euro weniger investieren, so Bures zuletzt in einem Interview. Geplant sind zurzeit Investitionen im Ausmaß von 9,4 Mrd. Euro bis Ende 2014.

Wo genau diese Milliarden eingespart werden, soll eine Arbeitsgruppe von Ministerium und ÖBB bis zum Herbst ausarbeiten. Doch schon jetzt deutet alles darauf hin, dass vor allem die drei großen Tunnelprojekte (Brennerbasistunnel, Koralmtunnel und Semmeringtunnel) betroffen sein werden. Denn die entscheidenden Kriterien für die Priorisierung der rund 250 Bahnprojekte sind laut dem Büro Bures: verkehrspolitische Notwendigkeit, Beschäftigungseffekte und inwieweit die Projekte bereits in Bau sind. Beschäftigungseffekte erzielt die Bahn vor allem bei Bahnhofssanierungen. Bei großen Tunnelprojekten werden indes viele Maschinen eingesetzt. Daher sei auch das 900-Mio.-Euro-Paket im Vorjahr sinnvoll gewesen, da dabei Sanierungen vorgezogen wurden, sagt die Sprecherin von Bures.

Auch Koralmtunnel wird geprüft

Die verkehrspolitische Notwendigkeit wiederum ist bei allen drei Projekten umstritten. Am wenigsten stellen Verkehrswissenschaftler noch den Semmeringtunnel infrage. Bei diesem soll aber ohnehin erst ab 2012/13 mit dem Bau begonnen werden. Und damit erfüllen die Projekte auch das dritte Kriterium – dass sie großteils noch nicht in Bau sind. Nur beim Koralmtunnel wurde bereits mit dem Bau des Haupttunnels begonnen, bei den beiden anderen Projekten ist man noch in der Sondierungsphase.

Aber auch der Koralmtunnel ist keineswegs sakrosankt. Denn auch bei ihm wurde lediglich mit dem ersten – nur drei Kilometer langen – Baulos begonnen. Die Baulose über die restlichen knapp 30 Kilometer Tunnellänge sind ebenfalls noch nicht an Baufirmen vergeben. Auch hier wäre eine zeitliche Verschiebung des Baubeginns oder eine „Streckung“ der Bauzeit leicht möglich.

Die zeitliche Verschiebung dürfte dem Ministerium auch als Lösung für die budgetären Zwänge vorschweben. Komplett von einem Projekt verabschieden will man sich bis dato noch nicht. Und auch Redimensionierungen – statt zwei Röhren nur noch eine – wie von Verkehrswissenschaftlern öfters gefordert, sieht man eher skeptisch. In den betroffenen Bundesländern erhebt sich dennoch bereits Widerstand. So sieht die Tiroler ÖVP die Sparankündigungen von Bures beim Brennertunnel als „Schlag ins Gesicht“.

Auf einen Blick

Zwischen 2011 und 2014 planen die ÖBB Bauvorhaben im Ausmaß von 9,4 Mrd. Euro. Laut Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) müssen davon drei Mrd. Euro eingespart werden. Betroffen dürften vor allem die drei großen Tunnelprojekte (Brenner, Koralm, Semmering) sein. Diese dürften später begonnen und langsamer gebaut werden. Details soll es im Herbst geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2010)

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