Energie

Wärme aus Mist, Stroh und Holz

Die Biogasaufbereitungsanlage Margarethen am Moos ist eine der wenigen Anlagen, die derzeit Biogas ins Netz einspeisen.
Die Biogasaufbereitungsanlage Margarethen am Moos ist eine der wenigen Anlagen, die derzeit Biogas ins Netz einspeisen.(c) MethaPOWER Biogas (MethaPOWER Biogas)
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Die Gaswirtschaft will den fossilen Brennstoff bis 2050 durch eine grüne Variante ersetzen. Das Potenzial wäre da, Kritiker bezweifeln aber die Ernsthaftigkeit der Anstrengungen.

Österreich ist eines von 66 Ländern, die sich im Rahmen der heurigen UNO-Vollversammlung in New York verpflichtet haben, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Vor dem Hintergrund, dass das Land derzeit nicht einmal die Klimavorgaben des Kyoto-Protokolls von 1997 erfüllt, eine gewaltige Herausforderung. Die geplanten Maßnahmen zielen vor allem auf den Ersatz von Kohle und Öl, den größten Klimakillern, sowie auf den Verkehrssektor, der im Eiltempo elektrifiziert werden soll.

Derzeit noch kaum auf der Agenda der Politik steht der Ersatz von Erdgas, ebenfalls ein fossiler Energieträger. Der Grund: Erdgas wird aufgrund seiner geringeren CO2-Emissionen zum einen als das kleinere Übel wahrgenommen, zum anderen sind nahezu alle Experten davon überzeugt, dass es als „Brückentechnologie“ in eine Zukunft der erneuerbaren Energie noch lang unersetzlich bleiben wird. In der Stromerzeugung etwa werden Gaskraftwerke benötigt, um Engpässe bei den volatilen Formen erneuerbarer Energie aus Wind und Sonne schnell auszugleichen.

Forschungsinitiativen

Um bis 2050 die CO2-Neutralität zu erreichen, wird es letztlich aber auch dem Erdgas an den Kragen gehen müssen. Das ist der Gaswirtschaft durchaus bewusst, weshalb sie schon seit einigen Jahren eine Energieform ins Spiel bringt, die es ihr erlauben würde, das derzeitige Geschäftsmodell zu bewahren: „grünes“ Gas. „Greening the Gas“ nennt sich die Initiative, in die Forschungsinstitutionen wie die TU Wien, die Johannes-Kepler-Universität oder die Montanuniversität in Leoben eingebunden sind. „Erneuerbare Gase sind ein zentraler Teil der österreichischen Energiezukunft“, betont Michael Mock, Geschäftsführer des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen in diesem Zusammenhang.

Im Visier hat man dabei vor allem die Raumwärme, einen Bereich, der mit jährlich zwei Milliarden Kubikmeter oder rund einem Viertel des heimischen Gasverbrauchs (ca. 8,5 Mrd. m3) zu Buche schlägt. Die Argumentation dahinter ist bestechend: „Österreich verfügt mit einer Leitungslänge von 44.300 Kilometern über ein modernes Gasnetz, an das rund eine Million Haushalte angeschlossen sind. Die nötige Infrastruktur wäre also bereits vorhanden“, nennt Mock den wichtigsten Vorteil.

Trotzdem sind die Herausforderungen gewaltig, wenn man bedenkt, dass der derzeitige Biogasanteil im Gasnetz gerade einmal 0,15 Prozent ausmacht. Zwar bestehen in Österreich bereits rund 300 Biogasanlagen, davon speisen aber lediglich 15 Anlagen Biomethan in Erdgasqualität ins Gasnetz ein. Der Großteil beschränkt sich auf die Verstromung vor Ort. „Da wurden zweifellos in der Vergangenheit falsche Schwerpunkte gesetzt“, sagt Robert Tichler, Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) und Mitautor einer JKU-Studie zum Potenzial von Biogas im Bereich Raumwärme.

Großes Potenzial

Dennoch hält er die ambitionierten Pläne durchaus für realisierbar. 75 Prozent des benötigten Biogases, so haben er und seine Forscherkollegen errechnet, könnten aus biologischen Reststoffen wie Gülle, Küchenabfällen, Strohresten oder aus der Holzvergasung gewonnen werden, die restlichen 25 Prozent über die Power-to-Gas-Technologie aus Wasserstoff erzeugt werden. Die Verwendung von Nahrungs- oder Futtermitteln schließt er dabei dezidiert aus. „Die technischen Probleme hierfür sind im Prinzip gelöst, aber natürlich ist eine Weiterentwicklung der Technik notwendig – vor allem im Bereich Power-to-Gas“, sagt er.

Mock hingegen hält sogar einen Ersatz von Erdgas im gesamten Energiesystem für möglich. Unter Heranziehung weiterer Studien, darunter einer der Montanuniversität Leoben, kommt er auf ein Potenzial von sechs Milliarden Kubikmeter Biogas bis zum Jahr 2050. „Unter der Annahme, dass der Energieverbrauch durch thermische Sanierungen und durch die gesteigerte Effizienz der Gasgeräte weiter abnimmt, gehen wir davon aus, dass diese Potenziale ausreichen werden, damit wir die Gasversorgung in Österreich durch heimische erneuerbare Gase bedienen können.“ Voraussetzung hierfür wären allerdings entsprechende Rahmenbedingungen, betont er. Dazu gehörten unter anderem die Gleichbehandlung von Biogas mit anderen Erneuerbaren, die Abschaffung der Erdgasabgabe für grünes Gas im Gasnetz, vor allem aber ein an der Ökostromförderung orientiertes Fördermodell für erneuerbares Gas.

Falsche Erwartungen

Skeptischer gibt sich Florian Maringer, Geschäftsführer Erneuerbare Energie Österreich. Er begrüßt zwar den Vorstoß für mehr grünes Gas, will das aber nicht als Freibrief für die Gasindustrie verstanden wissen. In erster Linie müsse der Gasverbrauch um die Hälfte reduziert, dann durch grünes Gas ersetzt werden, betont der Experte. „Außerdem halte ich die Erwartungen in Power-to-Gas für maßlos überzogen.“ Gas werde in der Raumwärme zudem eine untergeordnete Rolle spielen müssen, meint er: „Im Neubau wird die Wärmepumpe dazugewinnen, aber auch kleinere Biomasseanlagen. In sanierten Gebäuden eher Biomasse als Pellets.“

Biogas sollte man künftig eher den industriellen Prozessen im Hochtemperaturbereich vorbehalten, für die Kraft-Wärme-Kopplung, etwa bei Wärmenetzen und für flexible Kraftwerke. „Unter solchen Voraussetzungen wäre ein kompletter Ersatz von Erd- durch Biogas bis 2050 dann durchaus ein realistisches Szenario.“ Derzeit fehle jedoch der Beweis, dass die fossile Gaswirtschaft das „fossil“ auch wirklich loswerden will, meint der Experte.

Auf einen Blick

Der Gasverbrauch in Österreich belief sich im Jahre 2018 auf rund 8,5 Mrd. Kubikmeter. Der Anteil an erneuerbarem Gas betrug dabei lediglich 0,15 Prozent. Von 300 bestehenden Biogasanlagen speisen derzeit nur 15 Anlagen Biogmethan ins Gasnetz ein, der Rest beschränkt sich auf die Verstromung vor Ort. Eine Studie des Energieinstituts an der JK-Universität schätzt das Potenzial von Biogas auf zwei Milliarden Kubikmeter, der Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen geht bis 2050 von sechs Mrd. Kubikmetern aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2019)

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