Schnäppchenjagd im Internet

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Coupons sind der neueste Hit im Internet. Die Firmen stehen Schlange. Das Handy wird zum Schnäppchenjäger – und beschert einem vielleicht sogar eine neue Freundin.

Eine halbe Stunde lang hat einem der Verkäufer eben die Vorzüge des großen LCD-Fernsehgeräts erklärt, man ist überzeugt – nur der Preis passt nicht. Man muss schon eine gewisse Unverfrorenheit haben, wenn man jetzt im Geschäft nach „Prozenten“ fragt.

Was im wirklichen Leben unangenehm und peinlich ist, ist im Internet cool und der letzte Trend: die Jagd nach Rabatten und Sonderangeboten. Die Geschäfte boomen, die Firmen wachsen schneller als einst Amazon oder Google, und demnächst wird man in Österreich sogar via Handy nach Schnäppchen in seiner nächsten Umgebung suchen können.

„Wir wachsen im zweistelligen Prozentbereich – pro Monat“, erklärt Markus Pichler, Geschäftsführer von DailyDeal.at. Seit einem Jahr bietet das Unternehmen Gutscheinaktionen in Österreich an, seither habe man mehr als 50.000 Coupons abgesetzt und damit den Kunden „etwa eine Million Euro“ erspart, erklärt Pichler.

Sechs Mrd. Dollar für Groupon

Die Idee ist recht einfach: Ein Händler oder Dienstleister bietet über die Seite ein spezielles Angebot an, etwa einen Drei-Tages-Aufenthalt am Tegernsee um 199 statt 450 Euro oder ein Viergangmenü um 39 statt 91 Euro. Alles, was man als Kunde tun muss, ist den Button „Kaufen“ drücken. Der Gutschein kommt per E-Mail.

Dass die Unternehmen mit den Aktionen teils nichts verdienen, teils sogar Verluste machen, weil sie die Gutscheinseite am Umsatz beteiligen müssen, ist einkalkuliert: Man hofft auf Neukunden – und diese Hoffnung ist so groß, dass die Firmen Schlange stehen, um ihre Gutscheine auf den einschlägigen Seiten anbieten zu dürfen.

Welches Potenzial Investoren in der Geschäftsidee sehen, konnte man vor einigen Wochen ermessen, als Google den Gutscheinmarktführer Groupon übernehmen wollte: Sechs Milliarden Dollar bot der Internetgigant für das junge Unternehmen, das auch in Österreich eine Webseite betreibt. Doch das lehnte dankend ab. Jetzt startet die Web-Suchmaschine ihren eigenen Coupon-Dienst namens „Google Offers“.

Das ist nicht die einzige Konkurrenz, die den etablierten Schnäppchenseiten droht: Facebook mit seinen mehr als 500 Millionen Mitgliedern stellte kürzlich in Deutschland seinen Dienst „Deals“ vor, der demnächst auch nach Österreich kommen soll. Die Internet-Freundschaftsseite setzt dabei ganz auf Smartphones mit GPS-Funktion: Wer den Facebook-Dienst Places aktiviert, über den man auf der Sozialplattform via Handy seine aktuelle Position preisgibt, dem werden spezielle Angebote von nahegelegenen Geschäften angezeigt. Man spaziert also durch eine Fußgängerzone und sieht auf seinem Smartphone, wer welche Aktionen hat. In Deutschland bot ein Restaurant seinen Kunden zum Start eine kostenlose Flasche Sekt an, ein Kino lockte mit Gratis-Popcorn.

Diese sogenannten „Local based Services“ können einem sogar eine neue Freundin bescheren, zumindest im Tiroler Skiort Sölden. Dort experimentiert man seit diesem Winter mit einem Service namens „Rehgehege“: Wer mit einem der schlauen Mobiltelefone gerade mit dem Lift fährt und sich für das „Gehege“ angemeldet hat, wird darüber informiert, wo sich auf der Piste andere flirtwillige Singles des anderen Geschlechtes aufhalten.

Angereichert wird das mit Gutscheinen der umliegenden Lokale, die etwa zu einem stimmungslockernden Jägertee einladen. Einfach schnell mit dem Handy in der Skihütte „eingecheckt“ – und schon gibt es den Schnaps billiger oder ein zweites Würstel gratis.

Mathias Kimpl, Senior-Stratege bei der Werbeagentur PXP interactive, der die Kampagne auf die Beine gestellt hat, sieht das „Rehgehege“ als „gutes Experiment“. Die breite Masse der Nutzer fehle zwar, doch das Potenzial sei enorm. „Die große Zeit kommt, wenn Facebook einsteigt“, ist Kimpl überzeugt.

Datenschützer warnen

Nicht alle sehen die neuen Werbeformen so euphorisch. Datenschützer warnen vor „gläsernen Mobilfunkkunden“; vor Anbietern, die Bewegungsprofile und den persönlichen Lebensstil des Nutzers speichern und diese Daten an die Werbewirtschaft verhökern. Skeptiker vermuten hinter den Gutscheinangeboten von Facebook in Wahrheit die Absicht, möglichst detaillierte Daten der Kunden zu sammeln.

Deshalb fürchtet sich auch DailyDeal in Wien nicht sonderlich vor der kommenden Konkurrenz. Pichler ist skeptisch, dass die Kunden in Österreich bereitwillig ihre Daten herausgeben. Das habe man bereits bei den Gutscheinmodellen der USA gesehen: Dort kommen Aktionen nämlich nur zustande, wenn sich genügend Kunden für ein Angebot anmelden. „Das funktioniert in Europa nicht, weil die Menschen viel zurückhaltender bei der Preisgabe von persönlichen Informationen sind, ohne einen Gegenwert zu sehen.“

Möglicherweise hört der Gutscheintrend ohnehin bald wieder auf. Nicht nur, weil sich mit Firmen wie Groupon „gerade die nächste große Blase aufbläst“, wie das Magazin „Economist“ meint. Sondern wegen der Firmen: Laut einer Untersuchung der Rice-Universität in Texas führt ein Drittel der Gutscheinangebote für die Firmen zu Verlusten. Zudem sei die Kundenbindung sehr gering. Die Frage, heißt es in der Studie, sei schlicht, wie lange sich die Unternehmen die Aktionen leisten können.

Auf einen Blick

Groupon und DailyDeal bieten in Österreich Gutscheine für stark verbilligte Leistungen an. Man muss sich nur anmelden, der Coupon kommt per E-Mail. Facebook hat in Deutschland einen Dienst gestartet, der auf dem Handy Preisaktionen naheliegender Geschäfte anzeigt. Datenschützer warnen vor der Schnäppchenjagd, weil man zu viele Daten preisgebe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2011)

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