Der fatale Ruf des billigen Frankenkredits

(c) Erwin Wodicka
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Laut Schätzungen der Nationalbank ist Österreichs Volkswirtschaft durch Frankenkredite bislang ein fiktiver Schaden von 15 Mrd. Euro entstanden.

Wien. Der Höhenflug des Schweizer Franken bringt viele Kreditnehmer ins Schwitzen. Laut Angaben der Nationalbank ist der österreichischen Volkswirtschaft bislang ein fiktiver Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Bis Ende Mai 2011 hatten die Österreicher umgerechnet 51 Mrd. Euro in Franken aushaftend, davon entfällt der Großteil auf private Haushalte.

Seit dem Frankentief im Jahr 2007 liegen die Buchverluste für die heimische Volkswirtschaft bei 15 Mrd. Euro, lautet eine grobe Schätzung der Nationalbank. Die privaten Haushalte wären davon mit 10,6 Mrd. Euro betroffen.

Das bedeutet: Dieser Schaden entstünde, wenn jetzt alle Kredite fällig gestellt würden, die seit dem Frankentief im Jahr 2007 bestanden haben.

Abgesehen von diesen fiktiven Folgen gibt es auch schon konkrete: Die Bank Austria hat in Österreich in ihren Filialen 300 bis 400 Mitarbeiter dafür abgestellt, besorgte Frankenkreditnehmer zu beraten. Er verstehe, dass es „da und dort Aufgeregtheit gibt“, meint Bank-Austria-Chef Willibald Cernko. Bislang gebe es keine Zahlungsausfälle, die das Maß der übrigen Finanzierungen überstiegen. Von den 250.000 Kreditnehmern in Österreich, die sich in Franken verschuldet haben, sind 60.000 Kunden der Bank Austria. „Zehn bis 15 Prozent unserer Mitarbeiter in den Filialen sind ausschließlich auf dieses Thema konzentriert, zusammen mit den Kunden Lösungen zu finden“, so Cernko. Soziale Härtefälle gelte es zu vermeiden.

Konvertieren ohne Spesen

Die Erste Bank spricht von 16.000 offenen Fremdwährungsfinanzierungen mit einem Volumen von rund 2,5 Mrd. Euro. Davon entfielen etwa 95 Prozent auf Frankenkredite, so Gerhard Miksch. Man habe die Kunden mehrmals über das Risiko informiert. Jeder Mitarbeiter, der Franken-Kreditnehmer betreue, bekomme einen Spezialisten zur Seite gestellt. Entscheiden sich die Kunden, zu konvertieren, würden keine Spesen verrechnet.

Von der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien heißt es: „Es gibt bei uns keine Extra-Beratungstruppe.“ Man nehme jedenfalls keine Zwangskonvertierungen vor und verrechne keine zusätzlichen Spesen. Wie hoch das Volumen der vergebenen Fremdwährungskredite ist, wollte man in der Raiffeisen nicht sagen. Auch die Bawag wollte dazu auf „Presse“-Anfrage keine Auskunft geben.

Österreichs Banken exportierten die Frankenkredite auch nach Osteuropa. Dort spitzt sich die Lage zu. In der Nacht auf Donnerstag hat sich die kroatische Regierung mit den Banken auf ein Notpaket geeinigt. Demnach wird der Frankenkurs auf das Niveau, das bei Abschluss des Kredites gegolten hat, eingefroren. Die Differenz zwischen tatsächlichem und fixiertem Wechselkurs müssen die Kunden erst nach zehn Jahren zahlen. Bis dahin sollte sich der Franken abschwächen, hofft Ministerpräsidentin Jadranka Kosor. Institute, die sich der Forderung widersetzen, müssen mit Strafen rechnen.

In Kroatien wurden 42 Prozent der Immobilienkredite und 47 Prozent der Autodarlehen in Franken vergeben. In Ungarn haben die Regionalregierungen Premierminister Viktor Orbán zu Hilfe gerufen. Er soll sich bei den Banken dafür einsetzen, dass die Rückzahlung von Frankenkrediten für ein Jahr ausgesetzt wird.

Hilfspaket auch in Ungarn

Angelockt von den niedrigen Zinsen nahmen hunderttausende Ungarn Darlehen in einer ausländischen Währung auf. Knapp zwei Drittel der Privatkredite laufen in Schweizer Franken. Zwölf Prozent der Schuldner haben Probleme mit der Tilgung. Bis Jahresende soll der Wert auf 15 Prozent steigen. 90 Prozent der Haushalte haben die Kredite bei einem Frankenkurs von 175 Forint oder niedriger aufgenommen. Zuletzt war der Franken gegenüber dem Forint auf 246 Forint gestiegen.

Analysten zufolge ist ein Kurs von 260 Forint pro Franken problematisch. Dann würden 22 Prozent aller Fremdwährungskredite ausfallen. Ähnlich wie in Kroatien einigte sich Orbán mit den Banken auf ein Hilfspaket für private Haushalte. Dem Plan zufolge wird der Wechselkurs von Forint zum Franken bei 180 Forint eingefroren. Kunden müssen ihren Kredit bis Ende 2014 nicht zum aktuellen Kurs, sondern zum eingefrorenen zurückzahlen. Der Differenzbetrag fällt erst danach an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)

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