Jurist: "Liste der Schande" wäre rechtswidrig

THEMENBILD  FINANZAMT/STEUERREFORM
THEMENBILD FINANZAMT/STEUERREFORM(c) APA (Hans Klaus Techt)
  • Drucken

SPÖ-Geschäftsführer Kräuter und AK-Chef Tumpel wollen Zahlungsunwillige brandmarken. Experten sagen, das wäre ein Verstoß gegen Menschenrechtskonvention und Datenschutzgesetz.

[Wien] Nach Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter signalisierte am Mittwoch mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erstmals auch ein Regierungsmitglied Sympathie für eine "Liste der Schande". Mit dieser sollen Steuerschuldner - ganz nach dem griechischen Vorbild - öffentlich gebrandmarkt werden. Er habe zwar allgemein "immer Hemmungen bei Denunziantengeschichten", erklärte Hundstorfer der "Presse". Aber: "Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen."

Der Sozialminister betonte ausdrücklich, dass zuerst geklärt werden müsse, ob die Liste - speziell aus Datenschutzgründen - überhaupt zulässig sei. Zuvor hatte bereits AK-Präsident Herbert Tumpel darauf gepocht, Sünder zu publizieren: „Wenn man jemandem auf die Schliche kommt, dann sollte die Person auch namentlich veröffentlicht werden. Das fordere ich vehement", wird Tumpel in der Zeitung „Österreich" zitiert. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Kräuter hatte wiederum seinen Auftritt im ORF-Report genutzt, um für eine österreichische „Liste der Schande" zu werben. Diese sei vorstellbar, zumal man nur mit „sehr, sehr rigorosen Maßnahmen" der Steuerhinterziehung Herr werden könne, so Kräuter. Allein in der Schweiz befänden sich nämlich 16 bis 20 Milliarden Euro an heimischem Schwarzgeld.

Auch Griechen handeln illegal

Für Rechtsexperten ist eine solche „Liste der Schande" aber unvorstellbar. Diese wäre glatt rechtswidrig, sagte der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer zur "Presse". Das Datenschutzgesetz und die Menschenrechtskonvention würden es verbieten, Menschen derart zu brandmarken. Könnte man die Verfassungsgesetze dann nicht einfach ändern? Nein, betont Mayer.

Auch internationale Verpflichtungen zum Datenschutz stünden einer Sünderliste entgegen. Bereits das Verhalten Griechenlands sei illegal gewesen. Finanzrechtsexperte Werner Doralt verweist zudem darauf, dass die Liste wenig helfen würde: Denn hinterzogene Abgaben seien naturgemäß unbekannt. Und wenn man eine Liste veröffentliche, die bloß bekannte, ausständige Beträge umfasse, würde das ein Misstrauen gegenüber den Finanzbehörden bedeuten. Deren Job sei es schließlich, Außenstände einzutreiben.

Auch im Finanzministerium betont man, dass es schon rechtlich „ganz klar nicht möglich" sei, Steuersünder zu publizieren. Man könne die heimische Lage zudem auch nicht mit der in Griechenland vergleichen, meinte ein Ministeriumssprecher.

Hundstorfer macht Rückzieher

Hundstorfer reagierte übrigens prompt, als er via DiePresse.com von den massiven Expertenbedenken  erfahren hatte: Er trete auf jeden Fall für verschärfte Prüfungen ein, um Steuersünder auszuforschen. Außerdem ruderte er am Nachmittag über seinen Pressesprecher zurück und ließ ausrichten, eine solche Liste sei nicht zielführend.

>>> Mitterlehner: "Liste der Schande wäre Armutszeugnis für Österreich"

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Die neue Lust an der Liste

Die SPÖ liebäugelt mit einer „Liste der Schande“. Ein neuer Trend zeichnet sich ab.
Mitterlehner Liste Schande waere
Österreich

"Liste der Schande wäre Armutszeugnis für Österreich"

VP-Wirtschaftsminister Mitterlehner wehrt sich dagegen, die Steuermoral in Österreich mit jener von Griechenland zu vergleichen. Auch der volkswirtschaftliche Effekt sei zu hinterfragen.
THEMENBILD �STEUERREFORM�
Österreich

"Liste der Schande" für Österreich? SPÖ nicht abgeneigt

Wie in Griechenland könnten auch hierzulande bald Steuersünder an den Pranger gestellt werden, sagt SP-Bundesgeschäftsführer Kräuter.
Griechenland
Home

Griechenland veröffentlicht "Liste der Schande"

Die griechische Regierung stellt die Namen von Steuersündern ins Internet, die dem Land insgesamt 15 Milliarden Euro schulden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.