Nach Wehinger-Abgang: Westbahn steuert ins Ungewisse

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Symbolbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die seit Dezember verkehrende Privatbahn läuft nicht auf Schiene. Umsatzziele wurden nicht erreicht, eine Kapitalaufstockung scheint nötig. Die Anfangsinvestitionen von 130 Mio. Euro könnten zu wenig sein.

Wien. Stefan Wehinger ist eigentlich kein Mensch, der das Rampenlicht scheut. Rund um die Inbetriebnahme der Westbahn im Dezember vergangenen Jahres verging kaum ein Abend, an dem der Firmenchef nicht öffentlich sprach. Dahinter steckte eine ausgeklügelte Marketingstrategie: Voll waren sie, die Zeitungen und Onlineportale, mit Geschichten rund um die erste große Privatbahn Österreichs.

Ein halbes Jahr später spricht wieder jeder über den 46-jährigen Vorarlberger. Nur Wehinger selbst schweigt: „Kein Kommentar“, hieß es am Dienstag. Was war passiert? Völlig überraschend hatte der Aufsichtsrat der Westbahn Montagnacht die Trennung von dem Firmenchef bekannt gegeben. Von „gegenseitigem Einvernehmen“ ist die Rede. Und weiter: „Der Aufsichtsrat dankt Stefan Wehinger für seinen großen Einsatz.“

Lautstarke Streitigkeiten

Tatsächlich war das „gegenseitige Einvernehmen“ zwischen Hans Peter Haselsteiner und Wehinger zuletzt keineswegs gegeben. Haselsteiner ist ebenso wie Wehinger Vierteleigentümer, zudem sitzt der Strabag-Chef im Aufsichtsrat der Privatbahn. „Meinungsverschiedenheiten über die strategische Aufstellung“ sind unbestritten und werden auch in der Aussendung der Westbahn zum Abgang Wehingers zitiert.

Doch hinter den Kulissen soll es zu Machtkämpfen und heftigen Streitigkeiten gekommen sein. Haselsteiner wollte und konnte sich mit Wehingers aggressiver Vorgehensweise gegen die ÖBB nicht anfreunden. Wehinger klagte die Bundesbahnen mehrfach. Unter anderem warf er den ÖBB vor, Steuergelder zu verwenden, um auf der Westbahn-Strecke Tickets der „Sparschiene“ anzubieten.

Die Bundesbahnen sind ein wichtiger Kunde von Haselsteiners Baukonzern Strabag. Wie groß das Auftragsvolumen ist, will die Firma auf Anfrage nicht bekannt geben. Auch zum Thema Wehinger schweigt Haselsteiner: „Es gibt über die Pressemitteilung hinaus nichts zu sagen. Sobald sich etwas Neues ergibt, werde ich mich an die Medien wenden“, ließ er über seine Sprecherin ausrichten.

Einer, den der Abgang Wehingers wenig stören dürfte, ist ÖBB-Chef Christian Kern. Er und der Exchef der Westbahn haben sich stets angefeindet. Im „Presse“-Interview bezeichnete Wehinger Kern als „Kommunikator“, dem es um „Selbstdarstellung“ gehe. Vonseiten der ÖBB hieß es am Dienstag: „Eisenbahn ist ein komplexes Geschäft. Gewinne im ersten Geschäftsjahr anzukündigen, war völlig unrealistisch.“

Wehinger hatte ein operatives Plus versprochen, als die Westbahn im Dezember ihren Betrieb aufnahm. Bereits im März musste er die Ankündigung zurücknehmen. Dem Vernehmen nach ist die relativ schwache Entwicklung auch der Grund für eine eventuell erforderliche Kapitalaufstockung. Die Anfangsinvestitionen von 130 Mio. Euro könnten zu wenig sein. Auch dazu wollte sich am Dienstag niemand offiziell äußern.

SNCF dürfte Anteil ausbauen

Wehingers Anteil an der Westbahn von knapp über einem Viertel soll indes von den anderen drei Investoren – Haselsteiner, der französischen Staatsbahn SNCF sowie der Schweizer Augusta-Holding – übernommen werden. Haselsteiner und die SNCF halten aktuell knapp mehr als ein Viertel, Augusta knapp weniger.

Mit dem überraschenden Abtritt von Wehinger verliert die Westbahn nicht nur einen Bahnkenner, sondern auch ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Ob sein Nachfolger Erich Forster (siehe Portrait unten) oder doch eher Hans Peter Haselsteiner künftig diese Rolle übernimmt, ist ungewiss – ebenso wie die Zukunft der Privatbahn. Das verstärkte Engagement des Bahngiganten SNCF lässt allerdings vermuten, dass die Westbahn ihr Pulver noch nicht verschossen hat. Das erwarten auch die ÖBB: „Wir gehen davon aus, dass die Westbahn als Mitbewerber langfristig erhalten bleibt.“

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