Bawag-Prozess: Elsner-Urteil steht kurz bevor

(c) Reuters (Herbert Neubauer)
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Das erste strafgerichtliche Urteil für Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner steht unmittelbar bevor. Dies erfährt die „Presse“ aus der Justiz. Am kommenden Mittwoch könnte er seine erste Haftstrafe bekommen.

WIEN. Der Countdown läuft: Am Mittwoch, am 101. Verhandlungstag des Bawag-Prozesses, will der Schöffensenat das erste Mal über Helmut Elsner urteilen. Dies erfährt die „Presse“ aus verlässlicher Justiz-Quelle. Thema ist der ominöse Bawag-Kredit an den früheren Konsum-Chef Hermann Gerharter. Dieser Kredit wurde in den Büchern der Bawag als uneinbringlich ausgewiesen. Am 12. März 2003 soll Elsner die Kreditsumme, exakt 561.413,20 Euro, an Gerharter übergeben haben. In bar. Damit sei aus einem Kredit kurzerhand eine Art Schenkung geworden, sagt die Anklage. Elsner wird daher Untreue in Bezug auf Kreditgelder der Bawag angelastet. In der Anklage liest sich das so: Elsner habe der Bawag einen „Vermögensnachteil“ zugefügt, „indem er die Anweisung erteilte, auf Forderungen der Bawag gegen Dr. Hermann Gerharter entgegen den Interessen der Bank zu verzichten, ohne dass die Forderungen getilgt oder notleidend waren“. Gerharter gibt die „Schenkung“ – und damit seinen Beitrag zur Untreue zu. Er sagt, er sei schwach geworden, als er in Elsners Büro die „prall gefüllte Plastiktasche“ in die Hand gedrückt bekam. Nein, es habe sich im Gegensatz zu vielen Medienberichten nicht um ein Plastiksackerl gehandelt, sondern eben um eine Plastiktasche. Damals habe er nach den gegen ihn laufenden Konsum-Strafverfahren zwar hohe Prozesskosten zu zahlen gehabt, aber eigentlich hätte er diese auch aus eigener Kraft begleichen können. Elsners Verantwortung ist konträr: „Nicht schuldig“. Sackerl oder Tasche? Dazu sagte der Angeklagte in der Verhandlung am 21. Jänner: „Das weiß ich nicht. Ich war nie Kassier.“ Obgleich durch das Gerharter-Geständnis freilich auch für Elsner die Weichen in Richtung Verurteilung gestellt sind, bleibt dem Ex-Bawag-General noch ein theoretischer Ausweg. Das Geld könnte ohne sein Wissen geflossen sein. Theoretisch. Justiz-Coup wegen U-Haft?


Und n
och etwas wird Elsner vorgeworfen. Er soll ein überzogenes Bawag-Konto von Hermann Gerharter (das Minus belief sich auf 131.898,35 €) „glatt gestellt“ haben. Auch dies will Elsner nicht getan haben.
Außer Elsner und Gerharter ist in Sachen „Platiksackerl“-, pardon, „Plastiktaschen“-Kredit auch Elsners seinerzeitige rechte Hand, der einstige Bawag-Vorstand Peter Nakowitz angeklagt. Er soll mitgeholfen haben, die Transaktion in eine Papierform zu bringen. Dazu hat Nakowitz bereits im Oktober 2007 erklärt: „Das ist ein kompletter Blödsinn.“ Also auch: „Nicht schuldig“. Wie dem auch sei: Elsner, Gerharter und Nakowitz müssen am Mittwoch mit ersten Urteilen im Rahmen des Bawag-Prozesses rechnen.

Die Sache „Gerharter“ stellt eine Nebenfront dar. Die Hauptvorwürfe des Bawag-Verfahrens: Untreue von Elsner und Co. im Zuge von Karibik-Spekulationen mit Bankgeldern. Aber auch die Nebenfront könnte dem Gericht einen „Befreiungsschlag“ in Sachen U-Haft ermöglichen. Dann nämlich, wenn Elsner zu einer Haftstrafe verurteilt werden sollte.

Der Reihe nach: Aufgrund der langen Dauer des Strafverfahrens könnte die U-Haft Elsners bald unverhältnismäßig werden. Dann müsste er enthaftet werden. Elsner sitzt als einziger der (inklusive Gerharter) zehn Angeklagten hinter Gittern. Und das seit Februar 2007. Seit Wochen stellt die Verteidigung Fragen an den Gutachter, damit zieht sich das Verfahren in die Länge. Bisher nimmt der Senat bei Elsner „Fluchtgefahr“ als Haftgrund an. Nun könnte das Gericht bzw. die Anklage von folgender Überlegung ausgehen: Sollte Elsner am Mittwoch zu einer Strafhaft verurteilt werden, würde ihm die abgesessene U-Haft auf diese (neue) Strafhaft angerechnet. Anders ausgedrückt: Die U-Haft würde sich – je nach Länge der etwaigen Haftstrafe – in Strafhaft umwandeln.

Elsner könnte dann nicht mehr mit einer unverhältnismäßig langen U-Haft argumentieren. Und hätte es schwerer, bald frei zu kommen. Freilich würde ein solches Justiz-Vorgehen nur greifen, sobald eine etwaige Strafhaft in Sachen Gerharter-Kredit rechtskräftig werden sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. 5. 2008)

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