Kleines Bawag-Alphabet zum großen Tag der Entscheidung

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Heute, Freitag, werden in Wien die mit Hochspannung erwarteten Urteile des Bawag-Prozesses verkündet. „Die Presse“ wirft einen kritischen Blick auf die wichtigsten Beteiligten. Von B wie Bandion-Ortner bis Z wie Zwettler.

Bandion-Ortner Claudia

Richterin

Sie eröffnete am 16. Juli 2007 den Bawag-Prozess, plante am 31. Oktober 2007 (Weltspartag!) fertig zu sein. Später sagte sie: „Da war ich wohl zu optimistisch.“ Letztlich sollten es (inklusive heute, Freitag) rekordverdächtige 117 Verhandlungstage werden. Claudia Bandion-Ortner gilt als milde Richterin. Ihre eingehende Befassung mit endlosen Verteidiger-Fragen an die Gutachter wurde ihr vereinzelt als Führungsschwäche ausgelegt. Ihr Kalkül dabei: Nur ja kein unachtsames Abweisen von Fragen, um nur ja keine Angriffsfläche für das Geltendmachen von Nichtigkeitsgründen zu liefern. Denn wer will schon eine Wiederholung dieses Monsterprozesses?

Büttner Christian

Angeklagter

Der 51-jährige international erfahrene Top-Banker mit enger Bindung zur Bayerischen Landesbank galt von Anfang an als Musterknabe unter den Angeklagten. Der Ex-Bawag-Vorstand betonte gebetsmühlenartig, dass er als Einziger gegen die Fortführung der Flöttl-Geschäfte gestimmt hatte.

Eichenseder Herbert

Anwalt

Der Grandseigneur der Strafverteidigung erwies sich für seinen Schützling Wolfgang Flöttl als Glücksgriff. Der weitsichtige Altstar vollbrachte das Kunststück, seinem in New York lebendem Mandanten das Ungemach einer U-Haft zu ersparen. Immer wenn die Staatsanwaltschaft ergänzende Geschäftsunterlagen anforderte, zeigte sich Flöttl hoch bemüht, schaffte diese eilfertig herbei. Dabei stets im Hintergrund: ein zufriedener Eichenseder.

Elsner Helmut

Angeklagter

Von Boulevardmedien hingebungsvoll als absolute Reizfigur aufgebaut sitzt der 73-jährige Ex-Bawag-Chef als einziger in U-Haft. Und das schon seit Februar 2007. Der Hauptangeklagte gab sich stets Mühe, nur ja nicht in die Nähe eines Geständnisses zu kommen. Allerdings: Im Schlusswort zeigte er erstmals Einsicht, sprach von „Fehlern“. Dabei zeigte er mit dem Finger auf Flöttl. Dieser habe zu viel riskiert. Und so alles Bawag-Spekulationsgeld verspielt.

Elsner Ruth

Ehefrau und Zeugin

Sie kämpft „wie eine Löwin“ (Zitat Helmut Elsner) um ihren Mann. Anfang Jänner 2008 machte „Die Presse“ ein erstes großes Interview mit der 51-Jährigen. Diese damals: „Ich fühle mich zwangsgeschieden, mein Motto lautet Kampf.“ Nach und nach bekamen immer mehr Medien Interviews. Auf diese Art versuchte Ruth Elsner das Negativimage ihres Mannes zu korrigieren. Auch im Prozess war sie wichtig: Sie wurde als einzige Person gleich dreimal in den Zeugenstand gerufen.

Flöttl Wolfgang

Angeklagter

Dem Sohn des früheren Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl gelang es, das Bild eines bloßen Auftragnehmers zu vermitteln. Er, der Außenstehende, der New Yorker, habe zwar viel Bawag-Geld im Sand der Karibik versickern lassen, habe dabei aber lediglich Pech gehabt. Der Auftrag, riskant zu spekulieren, sei von Elsner gekommen. Letztlich rang sich der Gentleman-Angeklagte zu einem Teilgeständnis wegen Beihilfe zur Untreue durch.

Gerharter Hermann

Angeklagter

Als unglückliche Figur, die in den großen Bawag-Strudel hineingeraten ist, wirkte der Ex-Konsum-General durchaus glaubwürdig. Zum Verhängnis wurde ihm der (laut Anklage) geschenkte „Plastik-Sackerl-Kredit“: Gerharter ließ sich 560.000 Euro, Bawag-Geld, von Elsner schenken. Daher wurde er wegen Untreue zu zwei Jahren Haft, davon 18 Monate bedingt, verurteilt. Die Strafe ist nicht rechtskräftig. Elsner erhielt in dieser Sache (nicht rechtskräftig) zweieinhalb Jahre Haft. Unbedingt.

Hausmaninger Christian

Anwalt

Als kongenialer Partner von Herbert Eichenseder deckte der kühle Advokat mit Anwaltszulassung in New York die bankrechtliche Seite des Verteidiger-Duos ab. Absolut gelungen sein Plädoyer: Dabei hielt Hausmaninger triumphierend jene Verträge in der Hand, die Flöttl zwecks Karibik-Deals mit der Bawag geschlossen hatte. Und siehe da: Flöttl war laut diesen Verträgen praktisch alles erlaubt. Totalverlust inklusive.

Kleiner Fritz

Gutacher

Aus subjektiver Sicht Elsners: die Unperson des Verfahrens. Der Grazer Wirtschaftsprüfer war jener Mann, der die mittlerweile schon legendären „tausend Fragen“ über sich ergehen lassen musste. Kein Wunder: Gerade Elsner wurde durch die letztlich unantastbare Expertise schwer belastet.

Krakow Georg

Staatsanwalt

Der ehrgeizige Karriere-Ankläger erwies sich während der Verhandlung als Kenner des ausufernden Gerichtsakts. Wiederholten Anwürfen Elsners („Herr Staatsanwalt, Sie sind der dritte Bruder der Gebrüder Grimm“) begegnete er generös. Seine Untreue-Vorwürfe gegen alle neun Angeklagten hielt er bis zuletzt aufrecht. Schadenssumme bei Elsner: astronomische 1,7 Milliarden Euro.

Kreuch Hubert

Angeklagter

Der eher farblose Steirer wirkte durchaus glaubwürdig, als er beteuerte, von den Elsner-Flöttl-Geschäften nicht viel mitbekommen zu haben. Ungut für ihn: Viele Vorstandsbeschlüsse tragen (trotzdem) seine Unterschrift.

Nakowitz Peter

Angeklagter

Der frühere Bawag-Pressesprecher und spätere Vorstand verdankte seinen seinerzeitigen Aufstieg Helmut Elsner. Nakowitz gab stets den loyalen Assistenten des mächtigen Generals, der bereit war, auch unangenehme Dinge diskret zu erledigen. Dem eindringlichen Elsner-Appell, Nakowitz doch aus dem Verfahren draußen zu halten, konnte sich die Justiz bisher nicht anschließen.

Reiter Robert

Angeklagter

Der Ex-Partner der Prüfgesellschaft KPMG war jahrelang Bawag-Bilanzprüfer. Über weite Strecken unauffällig war er der große Verlierer der Schlussphase des Verfahrens. Staatsanwalt Krakow griff Reiter zuletzt scharf an, sogar im Plädoyer hob Krakow den Namen Reiter hervor: Dieser Angeklagte habe der Bawag geholfen, die Verluste zu verstecken.

Schubert Wolfgang

Anwalt

Er hatte den schwersten Job, musste sich fragen: Wie verteidigt man einen öffentlich vorverurteilten Angeklagten, der obendrein alles andere als „pflegeleicht“ ist – und auch nicht davor zurückschreckt, das Gericht wiederholt zu kritisieren („Show-Prozess“). Das Manko des Wirtschaftsanwalts Schubert könnte die mangelnde Erfahrung im Umgang mit der Strafjustiz gewesen sein. Bestechend an seiner Performance: Bildete stets eine perfekte Achse mit Elsner.

Schwarzecker Josef

Angeklagter

Seine Nebenrolle als Ex-Bawag-Vorstand könnte nicht besser beschrieben werden, als dies Schwarzeckers eigener Anwalt tat: „Er war zu nervös, um von Elsner ins Boot geholt zu werden.“

Weninger Günter

Angeklagter

Der frühere Bawag-Aufsichtsrats-Präsident legte immerhin ein Mini-Geständnis wegen Bilanzfälschung ab. Von den (verdeckten) Transaktionen Elsners habe er nichts gewusst. Er fühlt sich sich getäuscht – und er ist enttäuscht, beides von Elsner.

Zwettler Johann

Angeklagter

Der einzige Angeklagte, der mit der Schadensgutmachung begonnen hat. Der bodenständige Diplomkaufmann mit Haus in Wien-Floridsdorf, der nach eigenem Bekunden lieber zum Heurigen geht, als in die Welt der Reichen und Schönen einzutauchen, hat der Bawag 250.000 Euro überwiesen. Größtes Problem des Ex-Bawag-Chefs: Er könnte auch noch wegen des Refco-Skandals vor Gericht landen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2008)

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