Wer stoppt endlich diesen gefräßigen Steuerstaat?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Dass uns noch ein Vierteljahrhundert lang jede noch so kleine Reallohnsteigerung weggesteuert wird, sollten wir uns nicht mehr bieten lassen.

Gefühlt haben wir es ja seit Langem, die Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts bestätigen das jetzt: Obwohl die Löhne und Gehälter Jahr für Jahr steigen, stecken die realen, also kaufkraftbereinigten Nettoeinkommen seit einem Vierteljahrhundert(!) fest. Schuld daran ist nicht nur die Inflation – die hat ja, wenn auch bescheidene, Bruttoreallohnsteigerungen zugelassen –, sondern auch der gefräßige Steuerstaat, der den traurigen Rest der realen Lohnsteigerungen – und oft noch ein bisschen mehr – wegfrisst.

Der Vergleich der Steuer- und Abgabenquoten (siehe Bericht, Seite 1) macht sicher: Der Staat zieht jedem einzelnen Einkommensbezieher (davon gibt es rund 6,5 Millionen) via kalter Progression sowie über Steuer- und Gebührenerhöhungen fast dreitausend Euro pro Jahr mehr aus der Tasche als zu Beginn der Neunzigerjahre. Und kommt, nebenbei bemerkt, mit dem Geld noch immer bei Weitem nicht aus.

Allein um diese Fehlentwicklung zu korrigieren, müssten die Steuer- und Abgabenbelastungen also um 16Milliarden Euro pro Jahr reduziert werden. Da reicht eine der üblichen „Steuerreformen“ mit ein paar Milliarden Volumen bei Weitem nicht aus.

Dabei wird es ja schon bald noch dicker kommen: Im Herbst droht durch Hypo und ÖBB-Schuldeneinrechnung ein gewaltiger Schub im offiziellen Maastricht-Schuldenstand. Dieser wird dann mehr als 80 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) erreichen. Diesen bis 2017 auf 60 Prozent abzubauen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ab diesem Jahr droht aber allen Euroländern, die diese Grenze bis dahin nicht schaffen, ein vom EU-Fiskalpakt verordnetes zusätzliches Zwangssparen.

Wie das hierzulande gewöhnlich vonstattengeht, weiß man schon: durch weitere gewaltige Steuererhöhungen. So wie jetzt gerade: Das eben verwirklichte „Sparpaket“ sieht Ausgabenkürzungen von 500Millionen, aber Einnahmenerhöhungen von 1,1 Milliarden Euro vor.

Das geschilderte Szenario ist der gerade Weg in den Untergang. Denn die Wirtschaft leidet unter der hohen Abgabenquote (eine der höchsten in Europa, gerade haben wir Schweden überholt) schon jetzt extrem. Wifo-Chef Karl Aiginger etwa hat erst gestern wieder angemerkt, dass ohne Steuer- und Abgabenreform (die zu einer deutlichen Senkung der Arbeitskostenbelastung führen muss) der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht in den Griff zu bekommen ist.


Weiß das die Regierung? Anzunehmen. Aber warum zum Teufel macht sie dann nichts dagegen? Hört sie womöglich auf jene Einflüsterer, die behaupten, eine Senkung der Steuerquote sei mit dem Ende des Sozialstaats gleichzusetzen? Sie hat insofern natürlich recht, als Ministeuerquote und Maxisozialstaat nicht zusammengehen. Aber es gibt für alles eine Grenze. Wo diese liegen könnte, dafür bieten wir am besten einen des Neoliberalismus wirklich unverdächtigen Zeugen auf. Der Wiener AK-Direktor Werner Muhm hat kürzlich im „Presse“-Interview gemeint, dass man mit einer Steuer- und Abgabenquote von „rund 40 Prozent“ – das wäre ungefähr der EU-Schnitt – schon einen recht ordentlichen Sozialstaat finanzieren könne, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.

Das wäre einmal ein vernünftiges Ziel. Dafür fehlen uns aber leider (ganz abgesehen von einmaligen Hypo- und sonstigen Katastropheneffekten) strukturell 15 Milliarden Euro. Im Jahr.

Zufällig ist das annähernd das Volumen, das alle ernst zu nehmenden Experten, vom Rechnungshof bis zum Wifo, als Einsparungspotenzial der seit Jahrzehnten anstehenden Strukturreformen – von der Staatsreform bis zu einer echten Verwaltungsreform – nennen.

Ist die Regierung zu schwach oder zu unwillig, um das in die Hand zu nehmen? Dann möge sie bitte rasch zurücktreten und den Weg für Reformkräfte freimachen. Denn dass uns noch einmal ein Vierteljahrhundert lang selbst die kleinsten realen Nettoeinkommenssteigerungen wieder weggesteuert werden, nur weil die Regierenden den bequemsten Weg gehen, sollten wir uns nicht mehr bieten lassen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2014)

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