Staatsdefizite: Die Inflationsgefahr wird real

(c) AP (Martin Meissner)
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Die amerikanische Notenbank Fed wird derzeit gerade inflationsreif geschossen, die EZB tut angesichts der IWF-Forderung noch empört. Die Probleme der Staatsfinanzierung sind hier aber ziemlich genau die gleichen.

Die Krise hat die Staatsdefizite überall gewaltig explodieren lassen. So sehr, dass die Staatshaushalte dringend – also unmittelbar nach dem Ende der Krise – saniert werden müssen. Nicht nur in Österreich. Die Diskussion darüber, wie das zu machen sei, geht gerade ernsthaft los. Das heißt: ganz ernsthaft noch nicht. Den meisten Menschen (also auch den meisten Politikern) scheint nämlich noch nicht so ganz klar zu sein, wie sehr wir in der Malaise stecken – und wie wir da herauskommen.

Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten, die Staatsschuldenquote (also den Anteil der Staatsschulden am BIP) zu senken:

•sehr hohe reale (also inflationsbereinigte) Raten des Wirtschaftswachstums, die das Bruttoinlandsprodukt schneller wachsen lassen als die Staatsschuld.

•Budgetüberschüsse, die durch Einsparungen, Steuererhöhungen oder aus einer Kombination aus beiden zustande kommen.

•hohe Inflation, die die Staatsschulden entwertet.

Leider deutet (auch wenn das vor allem in Europa niemand zugeben will) vieles darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil der Sanierung über Geldentwertung (also genau genommen die Enteignung von Geldbesitzern) laufen wird.

Aus drei Gründen: Hohe Raten realen Wirtschaftswachstums werden wir in den kommenden Jahren nicht sehen. Einsparungen und Steuererhöhungen sind politisch heikel und stoßen deshalb schnell an ihre Grenzen. Und für Inflation, die als relativ moderat empfunden wird, ist in der Bevölkerung noch am ehesten Akzeptanz zu finden. Es ist ja kaum jemandem klar, dass auch Teuerungsraten von fünf oder sechs Prozent jedes Vermögen schon nach ein paar Jahren real halbieren. Und dass Inflation, wenn sie einmal von der Leine gelassen wurde, schwer wieder einzufangen ist.

Dass der Hase tatsächlich in diese Richtung läuft – dafür gibt es ein paar alarmierende Anzeichen. Kein Geringerer als der Internationale Währungsfonds (IWF) hat vor ein paar Tagen eine Studie veröffentlicht, die den wichtigsten Notenbanken empfiehlt, ihr Inflationsziel auf vier Prozent anzuheben. Derzeit haben die wichtigsten Notenbanken – Fed und EZB – Inflationsrichtziele von zwei Prozent.

Der IWF steht unter starkem Einfluss der USA. Und die USA gehören zu den Ländern, denen das Budgetdefizit derzeit am schnellsten entgleitet (wenngleich die Staatsschuldenquote mit annähernd 65 Prozent des BIP noch unter den westeuropäischen Werten liegt.

Wie das laufen könnte, hat die US-Bank Morgan Stanley in einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie dargelegt. Die zeigt ein ziemliches Dilemma auf: Wenn die Amerikaner ihre Schuldenquote stabilisieren wollen – von Schuldenabbau redet da noch keiner – haben sie zwei Möglichkeiten:

•Erstens, sie erwirtschaften viele Jahre lang (bei gleich bleibender Inflation) Budget-Primärüberschüsse von rund zweieinhalb Prozent im Jahr. Das ist bei einem Defizit, das derzeit so um die zehn Prozent des BIP mäandert, nicht sehr realistisch.

•Oder sie lassen sehr hohe Inflationsraten zu. Laut der Morgan-Stanley-Studie müsste die Inflation zur Stabilisierung der Schuldenquote auf mindestens sechs Prozent steigen, wenn es den Amerikanern gelingt, das Defizit auf drei Prozent (also die im Euroraum geltende „Maastricht-Grenze“) zurückzufahren. Bei höheren Defiziten gäbe es entsprechend mehr Teuerung.

So pessimistisch sind die Experten der US-Bank nicht: Sie rechnen in den nächsten Jahren freundlicherweise mit „nur“ vier bis sechs Prozent Teuerung in den USA. Das ist freilich gewaltig genug. In Europa könnte die Inflation ein wenig darunter bleiben, aber nicht viel.

Natürlich wird die Teuerung nicht morgen losbrechen. Und auch noch kein Sommerthema werden. Aber im kommenden Jahr werden wir – sofern die Konjunktur tatsächlich anspringt – den Preisen wohl schon bei der Abfahrt zuschauen können. Denn die Formel „Hohe Staatsschulden + billiges Geld + gute Konjunktur = hohe Inflation“ gilt nach wie vor. Sehr hohe Staatsverschuldung und sehr hohe Liquidität haben wir schon, fehlt nur noch die Konjunktur.

Die amerikanische Notenbank Fed wird derzeit (siehe IWF-Empfehlung) gerade inflationsreif geschossen, die EZB tut angesichts der IWF-Forderung noch empört. Die Probleme der Staatsfinanzierung sind hier aber ziemlich genau die gleichen.

Nehmen wir Österreich: Wir brauchen zur Budgetstabilisierung rund zehn Milliarden Euro. Das entspräche einer Mehrwertsteuererhöhung von 20 auf 30 Prozent. Es ist also völlig unrealistisch, dass dies durch neue oder höhere Steuern hereinkommen könnte. Bleibt Sparen: Da gibt es gewaltige Reformpotenziale in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, bei der Bahn und so weiter. Sie sind nur realpolitisch nicht zu heben. Der niederösterreichische Onkel beispielsweise hat dem Vizekanzler ja gerade ausgerichtet, wo er sich seine Gesundheitsreform hinstecken kann – indem er mitten in die beginnende Reformdebatte hinein den Ausbau zweier zwölf Kilometer voneinander entfernt liegender Großkrankenhäuser angekündigt hat, statt diese zusammenzulegen.

Wir werden uns also wohl darauf einstellen müssen, dass wir – wie immer – die Sanierung der Staatsfinanzen mit einer gewissen Entwertung unserer Sparguthaben bezahlen werden. Es schadet jedenfalls nicht, sich darauf einzustellen.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)

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