Politik in der Schmalspur-Variante

(c) APA (Robert Jäger)
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Eigentlich hätte Hans Peter Haselsteiner LIF-Spitzenkandidat werden sollen. Doch im Baukonzern Strabag, dessen Chef er ist, hat das maximale Irritationen ausgelöst.

Jetzt wissen wir's endlich: Das Liberale Forum (LIF) wird von Heide Schmidt in die Nationalratswahl geführt. Ihr zur Seite stehen wird Hans Peter Haselsteiner – als Wirtschaftssprecher und Vorsitzender des Unterstützungskomitees für Schmidt.

Die Geheimniskrämerei der vergangenen zwei Wochen ist also zu Ende: Bis zum Schluss hatte das LIF zum Thema Spitzenkandidat absolut dicht gehalten. Ein ziemlich raffinierter Marketing-Gag, könnte man gutherzig argumentieren. Die weniger wohlmeinende Interpretation: Das LIF hatte gar keine andere Wahl. Weil es eine Zitterpartie bis zuletzt war.

Wir schreiben den 15. Juli: Im LIF herrscht seltene Aufbruchsstimmung. Klar ist, dass das Liberale Forum bei den Nationalratswahlen im Herbst antreten wird – „jetzt oder nie“, lautet die Devise. Nur: Mit welcher Galionsfigur?

„Das LIF bräuchte ein Gesicht, das mit Politik und Wirtschaft assoziiert wird“, meint denn auch Politikberater Peter Hajek. Freilich – aber welcher gestandene Manager oder Unternehmer sollte sich das antun?

Rasch verbreitet sich das Gerücht: Hans Peter Haselsteiner, Chef des börsenotierten Baukonzerns Strabag und LIF-Urgestein, soll der Mann der Stunde sein. Ein Charismatiker, keine Frage. Und vor allem ein reputierlicher Mann der Wirtschaft – was dem ansonsten mit Randthemen beschäftigten LIF zweifellos gut täte.

Und der Strabag? Darauf geben die Aktionäre noch am selben Tag eine eindeutige Antwort: Die Aktie stürzt um 4,51 Prozent ab.

Haselsteiner hat damit ein veritables Problem am Hals. Ein Problem, das er sich allerdings auch selbst zuzuschreiben hat. HPH, wie er konzernintern genannt wird, ist ja kein Mann, dem Eitelkeit fremd wäre. Und daher hat er den Großkonzern Strabag über die Jahre zu einer feinen „Ich AG“ gemacht – einen Nachfolger im Konzern hat er jedenfalls nicht aufgebaut. Ziemlich ungewöhnlich. Und vor allem leichtsinnig angesichts seines Alters von 64 Jahren.

„In der Strabag gibt es Super-Leute im mittleren Management“, meint denn auch ein Branchen-Kenner, „aber keinen Kronprinzen.“ Der Alters-Schnitt im Vorstand liegt bei 59 Jahren. Auch Investoren zeigten sich im Herbst des vergangenen Jahres, als die Strabag an die Börse gebracht wurde, irritiert: „Der Erfolg des Strabag-Konzerns scheint maßgeblich an Ihre Person geknüpft“, fragten damals deutsche Anleger-Vertreter Haselsteiner. „Wer soll nach Ihrer Vorstellung Ihre Nachfolge antreten?“

Die Frage ist bis heute nicht geklärt.

Kein Wunder also, dass es in der Strabag in den vergangenen Tagen ordentlich Irritationen gab. Angeblich soll sich der russische Oligarch Oleg Deripaska, seit einem Jahr immerhin Viertel-Eigentümer der Strabag, ganz klar gegen eine Spitzenkandidatur Haselsteiners ausgesprochen haben. Böse Zungen behaupten sogar, Deripaska habe ein striktes „Njet“ verfügt. Und Raiffeisen-Boss Christian Konrad – der Raiffeisen-Gruppe gehört ebenfalls ein Viertel der Strabag – soll über das mögliche politische Engagement Haselsteiners auch wenig erbaut gewesen sein.

Weil eben klar war: Als Nationalrats-Abgeordneter könnte HPH den Strabag-Job noch machen. Als Regierungsmitglied müsste er sich wohl in den Aufsichtsrat zurückziehen. Absolut indiskutabel.

Und so kam es, dass Haselsteiner gestern vor Journalisten zugeben musste: Er hätte im LIF gerne „eine aktivere Rolle“ eingenommen. Allerdings hätten die Mitgesellschafter und Mitarbeiter seines Unternehmens „wenig Verständnis, wenn ich ihnen so abrupt abhanden kommen würde“.

Ein wahres Wort. Wobei die Aktionäre sogar von der kleineren Rolle, die Haselsteiner im LIF spielen wird, so überhaupt nicht angetan sind: Die Strabag-Aktie setzte gestern wieder zur Talfahrt an. Zu Mittag, zwei Stunden nach der offiziellen Bekanntgabe von Haselsteiners politischem Engagement, machte das Minus bereits 3,21 Prozent aus.

Aber vielleicht ist das alles auch nur ein Zufall. Denn dass Haselsteiner ein durch und durch politischer Mensch ist, weiß mittlerweile wirklich jeder.

Wobei im Konzern zu dem Thema immer ordentlich geflunkert wurde – weil Politik und Börse sich halt so überhaupt nicht vertragen. So wehrt sich Strabag-Sprecher Christian Ebner (den Haselsteiner seinerzeit aus dem Kabinett von Verkehrsminister Hubert Gorbach holte) stets mit Händen und Füßen gegen Gerüchte, HPH könnte wieder in die Politik gehen. „Definitiv nicht“, sagte er dieser Zeitung schon vor zwei Jahren. Und auch in den vergangenen Tagen machte Ebner tapfer beim „Wir-sind-sowas-von-unpolitisch“-Spiel mit: So stand er für Anfragen von Journalisten „gerne“ zur Verfügung – „vorausgesetzt, es geht nicht um Politik“. Weil das kein Thema sein durfte.

Drollig. Gleichzeitig machte Haselsteiner nämlich nie ein Hehl aus seiner politischen Umtriebigkeit. Er persönlich vereinbarte seinerzeit mit SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer den Deal, der LIF-Mann Alexander Zach ein SPÖ-Mandat im Nationalrat sicherte. Dafür gab es von Haselsteiner auch eine Wahlempfehlung für die Genossen.

Und auch bei wirtschaftspolitischen Ezzes hat sich Haselsteiner noch nie zurückgehalten: Zuletzt sprach er sich für eine Vermögenszuwachssteuer und einen Spitzensteuersatz von 80 Prozent für Super-Reiche aus.

Großes mediales Echo war ihm dann stets sicher, und Haselsteiner wird sich darüber wohl ziemlich gefreut haben. Darum geht es in der Politik ja letztlich: reden und gehört werden. Alpha-Tier Haselsteiner mag beides sehr.

Jetzt darf er in der Politik auch offiziell mitmischen. Wenn auch nicht wie geplant, sondern in der Schmalspur-Variante. Trotzdem: Große Erleichterung im LIF – und wohl auch bei HPH selbst. Fast wäre die Sache nämlich wie bei den Nationalratswahlen 1999 ausgegangen. Damals hatte sich das LIF intern bereits darauf geeinigt, dass das „Dreamteam“ Schmidt/Haselsteiner gemeinsam kandidieren sollte. „Es war alles schon fixiert“, erinnert sich ein LIF-Mitstreiter.

Doch dann kam Haselsteiner die profane Wirtschaft dazwischen. Sein Baukonzern war kurz davor, die deutsche Strabag aufzuschnupfen. Und Haselsteiner musste schweren Herzens gehen. In den Konzern natürlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2008)

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