Alarmstufe Rot bei der Nationalbank

(c) Dapd (Hans Punz)
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Maria Fekter entsorgt den mächtigen SPÖ-Mann Werner Muhm aus der Nationalbank – und sorgt für eine Koalitionskrise. Dabei hätte sie wissen müssen, wie wichtig die Notenbank den Sozialdemokraten ist.

Vor ziemlich genau zwei Jahren war Werner Muhm noch zu allerlei Späßen aufgelegt. Oder wollte der Chef der Wiener Arbeiterkammer bloß seine ehrliche Freude zum Ausdruck bringen? Im Juni 2010 jedenfalls begegnete er dem damaligen ÖVP-Finanzminister Josef Pröll, klopfte diesem gönnerhaft auf die Schulter und gratulierte. Pröll hatte nämlich gerade die Oesterreichische Nationalbank zu hundert Prozent verstaatlichen lassen. Und Muhm grinste: Das sei den Sozialdemokraten in 30 Jahren nicht gelungen.

Mittlerweile ist Werner Muhms Freude verpufft. Oder sagen wir es so: Er darf gerade die Schattenseite der Verstaatlichung erleben. Seitdem die Republik nämlich von 70 auf 100 Prozent an der Notenbank aufgestockt hat, ist deren alleiniger Eigentümervertreter das Finanzministerium. Und das ist bekanntlich tiefschwarz.

Ganz schlechte Vorzeichen für Werner Muhm: Seit 20 Jahren sitzt er im „Aufsichtsrat“ der Nationalbank, dem Generalrat. Bis vor wenigen Tagen. Da ist nämlich sein Mandat ausgelaufen. Und ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter weigert sich beharrlich, es zu verlängern.

Wenn das kein Grund für einen Koalitionskrach erster Güte ist.

Das Finanzministerium übt sich in Achselzucken: Immerhin sei im novellierten Notenbankgesetz festgehalten worden, dass die Zahl der Generalräte sukzessive reduziert werden soll. Und zwar von 14 auf zehn bis Ende 2015. Was biete sich da besser an, als auslaufende Mandate schlicht und einfach nicht zu verlängern? Betont wird dabei auch, dass immerhin auch ein „Schwarzer“ gehen müsse – nämlich Bernhard Felderer, Chef des Staatsschuldenausschusses.

Die SPÖ betrachtet die Angelegenheit dennoch als reinen Affront. Weil Werner Muhm ja nicht irgendwer ist. Sondern nebenbei auch der wirtschaftspolitische Berater von Bundeskanzler Werner Faymann. Und damit zweifellos einer der wenigen wirklich Mächtigen in der SPÖ.

Die Sache wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eh so ausgehen wie alle Koalitionskrachs – mit großen Versöhnungsgesten. Muhms Mandat werde wohl demnächst verlängert werden, heißt es sogar aus ÖVP-Kreisen. Nicht nur, weil die Volkspartei nicht riskieren will, dass ihre Personalwünsche im Gegenzug von der SPÖ blockiert werden. Sondern vor allem deswegen, weil Fekters Argumentation – leider, leider – einen nicht unwesentlichen Haken hat: Wohl sieht das Notenbankgesetz vor, dass die Zahl der Generalräte reduziert werden soll. Allerdings nur um jene, die früher von den Minderheitsaktionären entsandt wurden. Generalräte, die einst von der Bundesregierung bestellt wurden, sollen bleiben. Und dazu gehört auch Werner Muhm.

Alles wird also wieder gut.

Interessant ist dennoch die Frage, wieso die SPÖ in der Angelegenheit gar so empfindlich reagiert. Ist der Posten des Generalrats wirklich so wichtig? Durchaus, findet Muhm. „Fekters Vorgangsweise ist ein massiver Angriff auf die Sozialpartnerschaft“, sagt er. Das „Zusammenspiel von Währungs- und Einkommenspolitik“ sei in Österreich „historisch gewachsen“. Dazu seien Informationen über die Finanzmärkte unabdingbar. Informationen, die er nur als Generalrat beziehen könne.

Ganz ehrlich: Ein bissl Prestigedenken spielt schon auch eine Rolle. Die Nationalbank ist ein Machtfaktor – und also für die Sozialdemokraten immens wichtig. Auch als Bastion gegen die ÖVP.

In der Volkspartei wird die Nationalbank grantelnd als „roter Thinktank“ bezeichnet. Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen, wie etwa die Ereignisse des Februar 2010 zeigten. Damals tobte in der Regierung ein Streit über Für und Wider einer Bankensteuer. Also wurde die volkswirtschaftliche Abteilung der OeNB mit einer Expertise beauftragt. Und siehe da: Das Papier untermauerte Faymanns Argumentation – volkswirtschaftlich spreche nichts gegen die Einhebung einer solchen Steuer.

Was damals nicht öffentlich kommuniziert wurde: Die ohnehin sehr SPÖ-freundliche Studie war eine entschärfte Fassung. Zwei ursprünglich verfasste Varianten waren vom Notenbank-Direktorium abgelehnt worden, weil sie gar zu unverhohlen bankensteuer-euphorisch waren.

Macht nichts: Die Studie erfüllte ihren Zweck, und mehr konnte Werner Faymann auch gar nicht verlangen. Da konnte Notenbank-Chef Ewald Nowotny (übrigens ebenfalls SPÖler) noch so heftig Protest einlegen: „Ich muss den Vorwurf, dass die Studie einen Bias hat, entschieden zurückweisen“, sagte er der „Presse“ damals. Sie sei „von einem ganzen Team von Experten“ verfasst worden.

Mag sein. Tatsache ist aber, dass ein Gutteil dieser Experten dem sozialdemokratischen Lager zuzurechnen ist. Etwa der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung, Peter Mooslechner. Der fiel etwa schon mit der Meldung auf: „Hätte man das Ausmaß der Ungleichverteilung der österreichischen Geldvermögen gekannt, wäre die Vermögenssteuer nicht abgeschafft worden.“ Die seinerzeitige Studie zur Bankensteuer wurde unter Federführung seiner Mitarbeiterin Helene Schuberth verfasst, die früher im Kabinett von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gearbeitet hat. Und ein weiterer Mitarbeiter der Abteilung, Martin Schürz,alterierte sich öffentlich darüber, dass „reiche Menschen Gesundheitsprobleme in eine Gesellschaft bringen“. Kein Problem hat er hingegen mit einer Verstaatlichung von Erbschaften, wie er einst öffentlich ausführte.

Einzigartig, dieser Kampf der Notenbanker für soziale Gerechtigkeit. Und all das selbstverständlich unter dem Deckmantel der objektiven, wissenschaftlichen Expertise. Kein Wunder also, dass die SPÖ die Notenbank so innig liebt.

Damit das auch so bleibt, wird Vorsorge getroffen: Ewald Nowotnys Vertrag läuft im Sommer nächsten Jahres aus. Gerüchten zufolge sind die Chancen seiner Wiederbestellung überschaubar. Und zwar deswegen, weil er so gar nicht mehr auf SPÖ-Linie ist: Ihm bereitet Österreichs Verschuldung zunehmend Sorgen, und er weigerte sich dem Vernehmen nach, dem expliziten Wunsch Faymanns nachzukommen: nämlich als oberster Bankenaufseher Raiffeisen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das kommt gar nicht gut. Und deswegen soll die frühere EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell Nowotnys Nachfolgerin werden. Damit's in der SPÖ wieder Grund zur Freude gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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