SuperMarkt: Verstaatlichen wir bald alle Bäckereien?

SuperMarkt Verstaatlichen bald alle
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Österreichs Nationalräte üben sich seit vergangener Woche in einer völlig neuen Disziplin: Anlassgesetzgebung ohne konkreten Anlass. Die Regierung findet die Lösung zu einem Problem, das gar nicht existiert.

Das war knapp: Wachsame Parlamentarier konnten gerade noch verhindern, dass gewinnsüchtige Vertreter aus der „Privatwirtschaft“ auf heimische Wasserschätze zugreifen. In einem Entschließungsantrag gaben die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP am vergangenen Mittwoch ihren Kollegen auf der Regierungsbank den klaren Auftrag, rasch eine Verfassungsänderung vorzubereiten, mit deren Hilfe die Privatisierung der Wasserversorgung dauerhaft zu unterbinden ist.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) räumte zwar ein, dass aus der seit Wochen thematisierten „Konzessions-Richtlinie“ der EU keineswegs eine Verpflichtung zur Privatisierung der heimischen Wasserversorgung abzuleiten sei. Was aber weder Regierung noch Nationalrat davon abhalten kann, die nicht vorhandene Gefahr eines Verkaufs heimischen Quellwassers über eine Änderung der Bundesverfassung zu bannen. So etwas nennt man dann wohl eine zutiefst österreichische Abhandlung eines Nicht-Themas: Die Regierung findet die Lösung zu einem Problem, das gar nicht existiert, und schreibt die Lösung des nicht existierenden Problems auch noch schnell in die Bundesverfassung. Hut ab!


Ein Parlament japst. Nicht wirklich besser wird die geplante Vergewaltigung der Verfassung (die wievielte eigentlich?) durch das Gejohle der Oppositionsparteien. Die Grünen deckten das EU-Komplott ja erst auf, die Freiheitlichen kreischten nach einem Verkaufsverbot, während BZÖ-Obmann Josef Bucher Erschütterndes über die verheerenden Folgen von entstaatlichten Wasserleitungen zu berichten wusste: „Die Zwangsprivatisierung von Trinkwasser schadet den Bürgern und nützt nur einigen Konzernen und Banken, die es auf unser Wasser abgesehen haben.“ Derartiges hört man nicht allzu oft aus dem Munde eines Mannes, der in seinem Spiegelbild an vielen Tagen des Jahres den letzten Liberalen des Landes zu erkennen glaubt.

Aber auch im sonst so marktfreundlichen Team Stronach hört sich der Spaß auf, wenn es um das kühle Nass geht. Weshalb auch dort umgehend ein generelles Privatisierungsverbot von österreichischem Trinkwasser eingefordert wurde.

Womit die Vertreter aller Parteien auf ihre Kosten kamen. Die einen konnten nach Lust und Laune über eine völlig durchgeknallte EU herziehen, die jetzt – nachdem sie alle Gurken gekrümmt hat – nichts Besseres zu tun habe, als Großkonzernen die österreichischen Wasserhähne zu öffnen. Die anderen vermochten von verlorenen Volksbefragungen ablenken und/oder nachweisen, dass sie das Land auch vor nicht vorhandenen Bedrohungen zu schützen imstande sind.

Die Bevölkerung wird von den Nationalräten also seit Tagen richtig schön vorgeführt. Das allerdings mit einer nicht zu verachtenden Hingabe, die sich viele Bürger dieses Landes wohl etwas öfter von ihren Parlamentariern wünschen würden. Zum Beispiel, wenn es wieder einmal darum gehen sollte, das staatliche Angebot in Sachen Bildung und Gesundheit ein wenig aufzupäppeln. Oder wenn wieder einmal die Rettung des Pensionssystems auf dem Plan steht.

Abgesehen davon ist es natürlich das gute Recht aller Fraktionen, sich für eine vollverstaatlichte Wasserversorgung auszusprechen. Das ginge aber auch ohne Schauermärchen über die böse EU. Und ohne Legenden wie jener, dass Daseinsvorsorge öffentlich bleiben müsse, um zu verhindern, dass Verbraucher mit überteuerten und vergifteten Produkten belästigt werden. „Wasser ist schließlich ein Menschenrecht“, wie dieser Tage oft zu hören ist. Stimmt. Und was ist mit Brot, Eiern und Getreide? Der Mensch lebt ja nicht vom kühlen Nass allein. Würde also die Daseinsvorsorge nur in staatlichen Händen funktionieren, könnten private Bäckereien, Fleischereien, Molkereien, Obstbauern, Hersteller von Babynahrung und sämtliche Handelsketten die Bevölkerung ja unmöglich Tag für Tag mit dem Wichtigsten versorgen. Tun sie aber. Und das zu Preisen, die zu den niedrigsten in ganz Europa gehören.

Wenn die Parteien schon geschlossen dafür eintreten, dass Wasser hierzulande nur durch öffentliche Leitungen zu fließen hat (was in Österreich freilich nicht der Fall ist, wie viele private Genossenschaften zeigen), dann vielleicht mit einem überzeugenderen Argument. Etwa jenem, dass sie das Milliardengeschäft Wasser lieber weiterhin den Kommunen zuschanzen wollen, statt es privaten Anbietern zu überlassen. Das wäre wenigstens ehrlich.

In diesem Fall sollten die Bürger aber vor der Willkür kommunaler Versorger geschützt werden. Nur wie? Die Verbraucher haben ja nur einen Anbieter, weil das Land ja nicht mit unzähligen Leitungen durchzogen werden kann. Dasselbe gilt übrigens für Stromnetze und Bahntrassen. In der Ökonomie spricht man von „natürlichen Monopolen“, wenn die Errichtung von Parallelsystemen zu teuer käme oder der Bevölkerung nicht zuzumuten wäre.

Doch selbst in diesen Monopolstrukturen lassen sich Wettbewerbssituationen simulieren, die Anbieter zu erhöhter Effizienz zwingen. Etwa, indem der Betrieb der Leitungen alle drei Jahre öffentlich ausgeschrieben und die Vergabe von einer Regulierungsbehörde abgewickelt wird. Die kommunalen Betriebe dürften in diesem Wettbewerb kaum zu schlagen sein, sind sie nach Angaben der Politik ja nicht nur die besten, sondern auch die mit Abstand günstigsten Anbieter.


Solide Haushalte bieten besten Schutz.
Am sichersten ist der Verkauf öffentlicher Wasserleitungen übrigens nicht durch die Verfassung zu verhindern, sondern durch gut geführte Haushalte. Privatisiert werden Wasserleitungen ja nicht aus Spaß an der Freude. Sondern einzig und allein, wenn die Kommunen kurz vor dem Bankrott stehen. Weil sie schlecht wirtschafteten und ihre Ausgaben über Jahre hinweg die Einnahmen überflügelten.

Aber wer weiß, vielleicht wird demnächst ja auch noch der finanzielle Ruin österreichischer Städte und Gemeinden per Verfassungsgesetz untersagt. Die Aussichten auf eine überwältigende Mehrheit im Nationalrat dürften dafür nicht die schlechtesten sein.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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