Die Staaten springen dem Autobauer Opel mit Milliarden zur Seite. Nachvollziehen können das bestenfalls noch Politologen und Psychologen. Ökonomisch versteht es nämlich niemand.
Die erfreuliche Nachricht gleich einmal vorweg: Die Konjunkturspritzen, die Regierungen den Volkswirtschaften rund um den Globus verabreichen, sind zwar nicht gratis, aber auch nicht ganz umsonst. Allerorts scheint der freie Fall der Wirtschaft gestoppt, Millionen von Menschen bleiben von der Arbeitslosigkeit verschont. Das gilt nicht zuletzt für die mit Abstand wichtigste Volkswirtschaft der Welt: Wie die US-Regierung am Freitag mitteilte, konnte Präsident Barack Obama mit den staatlichen Rettungsaktionen die Jobs von rund einer Million Amerikanern sichern.
So etwas hört man in Zeiten, in denen Arbeitsplätze schneller gestrichen werden als vier weiße Wände, nur allzu gerne. Das umso mehr, als die staatlichen Ausgabenprogramme auch in Europa zu greifen scheinen. In Österreich zum Beispiel. So hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) erst unlängst errechnet, dass mit den staatlichen Konjunkturspritzen in Höhe von zwölf Milliarden Euro knapp 41.500 Arbeitsplätze gesichert werden. Auch nicht schlecht.
Nun wäre es wohl ein klassisch österreichischer Zugang, diesen Erfolg des Staates gleich wieder schlechtzureden. Das wird wohl auch der Grund sein, warum die Studienautoren des Wifo auf die Division 12.000.000.000 (Euro) durch 41.500 (Jobs) verzichtet haben. Heraus kommen würden dabei nämlich 289.156,63 Euro. Dieser Betrag wird von der heimischen Bundesregierung im Namen der Allgemeinheit ausgegeben, um einen (!) Arbeitsplatz in Österreich zu „sichern“. Bruno Kreisky wäre stolz auf uns. Noch mehr natürlich auf die US-Regierung, die sich einen Job umgerechnet 540.000 Euro kosten lässt. Mit anderen Worten: Die Regierungen geben zur Sicherung eines Arbeitsplatzes Summen aus, die das Salär des US-Präsidenten in den Schatten stellen.
Das Dilemma dieser Ausgaben liegt nicht nur an deren Höhe. Sondern darin, dass sie Menschen nur vorübergehend in Arbeit halten können – sollte die Wirtschaft in einigen Monaten nicht anspringen, wäre alles umsonst, und die Regierungschefs müssten sich wohl die eine oder andere unangenehme Frage gefallen lassen.
Legalisierte Industriespionage. Bis dahin wird gefördert, wer bei drei nicht auf den Bäumen ist. Bestes Beispiel dafür sind schwer defizitäre Autobauer aus Europa. Dass die autoritär geführten Staaten Russland und China Milliarden an Staatsgeldern ausgeben, um westliche Autohersteller zu kaufen, lässt sich ja noch irgendwie nachvollziehen. Wir haben es hier nämlich mit einer Art legalisierter Industriespionage zu tun. Wer Autos auseinandernehmen kann, ist ja noch lange nicht in der Lage, sie auch serienmäßig zu produzieren. Dazu sind westliche Technologien nötig.
Genau diese besorgen sich die Chinesen nun in Schweden (Volvo, Saab) und die Russen (mit austrokanadischer Hilfe) in Deutschland. Angesichts der noch ungesättigten Märkte in den jeweiligen Heimatländern auf lange Sicht vermutlich keine schlechte Strategie.
Warum aber die Republik Deutschland den Investoren Magna und Sberbank (Russland) bei der Opel-Übernahme mit milliardenschweren Staatshilfen zur Seite steht, können bestenfalls noch Politologen und Psychologen erklären. Ökonomisch versteht das niemand – und es wird keinesfalls besser, wenn sich nun auch noch die Republik Österreich an der staatlichen Hilfsaktion für Magna-Opel beteiligt, wie der deutsche Wirtschaftsminister Karl- Theodor zu Guttenberg fordert.
Zumal es zu Guttenberg selbst war, der in den vergangenen Wochen mit Nachdruck erklärte, dass das Konzept von Magna/Sberbank nicht wirklich tragfähig sei. Noch Ende Mai hat der deutsche Wirtschaftsminister deshalb eine geordnete Insolvenz von Opel für die beste Lösung gehalten. Nicht zu Unrecht. Erstens leidet der gesamte Markt an enormen Überkapazitäten, zweitens gilt das ganz besonders für Opel (die Werke sind gerade einmal zu 56 Prozent ausgelastet), drittens hüteten Opel-Modelle schon in der Hochkonjunktur die Läden, und viertens ist völlig unklar, was die neuen Eigentümer denn eigentlich besser können als die alten (General Motors).
Zudem hätten wir da noch die Einschätzung von Herrn Wennemer, der zufolge Opel 2010 schwer überschuldet beim Konkursrichter anklopfen werde. „Und das gesamte Risiko liegt beim Staat“, wie Manfred Wennemer meint. Der Mann ist nicht irgendwer. Sondern der frühere Chef des Reifenherstellers Continental und der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in jener Treuhandgesellschaft, die für die Abwicklung des Opel-Verkaufs zuständig ist.
Schon wieder die Schweden. Nicht zuletzt deshalb hätte sich Deutschland ein Beispiel an den kühlen Schweden nehmen können: Die Regierung in Stockholm lässt die Chinesen schweren Herzens gewähren, haftet aber mit keiner einzigen Krone für die Zukunft von Saab und Volvo. Ein Autobauer ist eben keine Bank. Wenngleich Opel von der deutschen Regierung wie eine solche behandelt wird, was ausschließlich mit den Bundestagswahlen am 27. September zu erklären ist.
Wir wollen unseren Nachbarn von Herzen deshalb alles Gute mit den neuen Opel-Eigentümern wünschen. Möge die Fahrt ins Blaue ein glückliches Ende nehmen. Diese Wünsche kommen freilich nicht ganz uneigennützig. Wir Österreicher werden schließlich im Rücksitz Platz nehmen und laut Regierung für allfällige Schäden bis zur Höhe von 300 Millionen Euro aufkommen. Warum auch immer.
franz.schellhorn@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2009)