Beamte: Die Sieger des Jahrzehnts

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SuperMarkt(c) FABRY Clemens
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Pragmatisierte Staatsdiener gelten als schlecht bezahlt. Dabei konnte in den letzten Jahren keine Berufsgruppe höhere Lohnsteigerungen einfahren. Von 1998 bis 2009 stiegen die Bruttogehälter um 26 Prozent.

Früher war die Berufswahl noch erfrischend einfach: Wer rasch möglichst viel Geld einstreifen wollte, versuchte sein Glück in der rauen Welt der neoliberalen Ellbogenwirtschaft. Wer es hingegen etwas genügsamer angehen wollte, klopfte beim Staat an. Dieser zahlte zwar denkbar schlecht, gewährte seinen Schäfchen aber umfassenden Schutz vor allen unerfreulichen Seiten des Berufslebens. Etwa vor dem Verlust des Arbeitsplatzes; definitiv das größte der zahlreichen Trostpflaster für den kargen Lohn. Einzig den beißenden Spott der Ungeschützten mussten die Geschützten über sich ergehen lassen: „Der Beamte hat am ersten nix, er hat am zweiten nix, doch was er hat, das hat er fix“, wie der Wiener Kabarettist Hermann Leopoldi schon vor Jahrzehnten spöttelte.

Hermann Leopoldi kennt heute kaum noch jemand, das traurige Bild vom ärmlichen Staatsdiener hat es hingegen locker ins dritte Jahrtausend geschafft. Ein Klischee, das für die Beamtengewerkschafter ungefähr so unbezahlbar werden sollte wie für die Landwirtschaftskammer die Legende vom bitterarmen Bauern, der in schweißtreibender Arbeit das trockene Gras von steilen Hängen zu kratzen hat, um dann von den kapitalistischen Blutsaugern mit einem Hungerlohn abgespeist zu werden. Heute kann nämlich ohne jegliche Übertreibung festgestellt werden, dass die Beamten die Gewinner des abgelaufenen Jahrzehnts sind.

In den vergangenen zehn Jahren hat keine Berufsgruppe auch nur annähernd derart saftige Lohnerhöhungen für sich herausholen können wie die unkündbaren Angestellten der Republik Österreich. Das behauptet nicht nur die Statistik Austria, sondern auch der Rechnungshof, der in der Vorwoche seinen „Einkommensbericht 2010“ vorgelegt hat. Während die Bruttogehälter normal sterblicher Arbeitnehmer von 1998 bis 2009 inflationsbereinigt um 3,5 Prozent stiegen, schnalzten die Löhne für die Beamten im selben Zeitraum um 26 Prozent nach oben.

Beamtenforelle war gestern. Auch bei den Gehaltshöhen müssen sich die pragmatisierten Staatsbediensteten keineswegs verstecken. Sie brachten es im Vorjahr auf ein Durchschnittsgehalt von 51.228 Euro brutto im Jahr. Angestellte schafften im Schnitt 34.146 Euro brutto, Arbeiter gerade einmal 18.318 Euro. Womit gut abgesicherte Beamte heutzutage fast dreimal so viel verdienen wie jederzeit kündbare Arbeiter und 1,5-mal so viel wie Angestellte.

Beamte quittieren Zahlen wie diese üblicherweise mit blanker Wut. Viele von ihnen sehen sich als Abzocker denunziert, auch wenn das niemand behauptet hat. Nicht selten dürften erwähnte Gehaltssteigerungen auch tatsächlich aus dem Bewusstsein vieler „Betroffener“ verschwunden sein. Meistens werden nur die jährlichen Lohnerhöhungen gezählt, auf die alle zwei Jahre ins Haus stehenden Vorrückungen (Biennalsprünge) wird indes vergessen. Ganz nach dem Motto: Was nicht erkämpft werden muss, zählt auch nicht. Und überhaupt würden immer wieder „Äpfel mit Birnen“ verglichen, um der beliebten Beamtenhatz zu einer Neuauflage zu verhelfen.

Abgesehen davon, dass sich weder die Beamten der Statistik Austria noch jene des Rechnungshofs mit tendenziösen Obst-Vergleichen einen Namen gemacht haben, gibt es tatsächlich ein paar Punkte, die das „Abheben“ der Beamtengehälter wenigstens teilweise erklären. So wird seit einigen Jahren nicht mehr pragmatisiert. Dadurch wird der Beamtenstand früher oder später aussterben. Bis es so weit ist, wird er überaltern, weshalb die Durchschnittsgehälter der nach dem Alter bezahlten Beamten stark wachsen.

Gut gebildet, gut bezahlt. Unkündbare Staatsdiener arbeiten zudem weniger Teilzeit und sie wechseln seltener den Job. Der Rechnungshof verweist auch darauf, dass die Ausbildung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst weit höher sei als in der Wirtschaft. Kein politischer Entscheidungsträger scheintsich gefragt zu haben, ob denn der Staatsdienst auch einen höheren Bildungsgrad braucht als ein Job in der freien Wirtschaft. Die Antwort wäre – abgesehen vom Bildungsbereich – ein klares Nein. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Der Wohlstand künftiger Generationen wird nämlich nicht im bestens abgeschirmten Staatsapparat erwirtschaftet werden. Sondern auf den hart umkämpften Weltmärkten.

Dort werden übrigens auch jene Gehälter und Pensionen verdient, die heimische Staatsdiener allmonatlich überwiesen bekommen. Zumindest in dieser Hinsicht erweist sich der totgesagte Kapitalismus noch als überaus vital. Fragt sich nur, wie lange die Erträge der Marktwirtschaft noch ausreichen werden, um das alles zu finanzieren. Nur um die Dimensionen zu zeigen: Die eingehobenen Unternehmenssteuern reichen selbst in Hochkonjunkturjahren nicht aus, um allein die Beamtenpensionen in Höhe von acht Milliarden Euro pro Jahr bezahlen zu können. Von den laufenden Bezügen ganz zu schweigen.


Teure Akademiker-Schwemme. Das wiederum ist Ergebnis jener Akademiker-Schwemme im öffentlichen Dienst, die der Staat selbst herbeigeführt hat. Über Jahrzehnte hinweg wurden gut ausgebildete Absolventen mit obszönen Vorrechten von den Hochschulen abgeschöpft. Bevorzugt Juristen, die nach dem ausgiebigen Studium durch unwichtige Akten streifen. Am Ende dieser Intervention auf den Arbeitsmärkten steht eine sündteure Fehlallokation menschlicher Ressourcen.

Das den Beamten vorzuwerfen, wäre absurd. Ihnen sind üppige Gehälter und hohe Absicherung zu gönnen. Im Gegenzug könnten die Glücklichen aber wenigstens das Märchen von den ach so schlecht bezahlten Staatsdienern freundlicherweise einpacken.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.01.2011)


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