SuperMarkt: Hungern für die Notenpresse

SuperMarkt Hungern fuer Notenpresse
SuperMarkt Hungern fuer Notenpresse(c) AP (Virginia Mayo)
  • Drucken

Böse Spekulanten werden für die stark steigenden Lebensmittelpreise gegeißelt. Sehr zur Freude der wahren Schuldigen. Dass sich agrarische Rohstoffe derart verteuern konnten, hat aber eine Reihe von Gründen.

Als hätten die Spekulanten nicht schon genug angerichtet, schlagen sie jetzt neuerlich rücksichtslos zu. Profit-rünstige Geschäftemacher jagen die Preise für Nahrungsmittel mit Wetten auf Rohstoffe nach oben – und das nur für ein Paar Prozentpunkte mehr Rendite. Zu bezahlen haben das vor allem die Entwicklungsländer, weshalb in vielen Teilen dieser Erde Hungersnöte und Aufstände unmittelbar bevorstünden. So sehen das jedenfalls 48 Agrarminister aus aller Welt (ganz vorne dabei der österreichische), die ein entschlossenes Vorgehen gegen die spekulierenden Übeltäter einfordern.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat den Hilferuf dankend aufgenommen. Seiner Ansicht nach müssten die Spekulanten dringend mit einer strengeren Regulierung zur Räson gebracht werden, um die Preisschwankungen zu zügeln. Mit anderen Worten: Dass sich die Armen kaum noch Essen leisten können, geht einzig und allein auf die Kappe gieriger Spekulanten, die auf „verrückt spielenden Märkten“ kräftig absahnen.


So etwas nennt man Hyperinflation. Tatsächlich ist das wachsende Interesse großer Finanzinvestoren auf den Agrarmärkten nicht zu leugnen. Mittlerweile sind sie an den Terminbörsen mit knapp 2,5 Billionen Dollar investiert. Das ist beinahe 30-mal so viel wie vor zehn Jahren. Ebenfalls nicht zu übersehen ist, dass stark anziehende Preise für Grundnahrungsmittel die soziale Stabilität und das weltweite Wirtschaftswachstum bedrohen. Weizen und Mais sind heute dreimal so teuer wie vor zehn Jahren. Allein in den vergangenen sechs Monaten haben sich die Notierungen für wichtige Rohstoffe verdoppelt. Doch in welchem Zusammenhang stehen diese Phänomene?

Klar ist, dass die derzeit zu beobachtenden Preisexplosionen die Visitenkarte jener hyperinflationären Tendenzen sind, die es nach Aussagen führender Politiker eigentlich gar nicht geben dürfte. Schließlich warnen sie täglich vor der gefährlichen Deflation (um damit die Notwendigkeit noch höherer Staatsausgaben zu unterstreichen).

Dass sich agrarische Rohstoffe derart verteuern konnten, hat aber eine Reihe von Gründen: Noch heuer wird die Zahl der zu ernährenden Menschen die Grenze von sieben Milliarden überschreiten. Zudem wird in boomenden Entwicklungs- und Schwellenländern mit dem wachsenden Wohlstand mehr Fleisch aufgetischt. Fleisch, das zuvor ordentlich gefüttert werden will. Ein Kilo Rindfleisch braucht beispielsweise rund sieben Kilo Mais. Hinzu kommen öko-bewusste Industriestaaten, die ihre Autos verstärkt mit Biosprit betanken. Treibstoff, der aus Getreide gewonnen wird. Zu allem Überdruss verteuert der hohe Ölpreis die Düngemittel und damit die gesamte Palette agrarischer Produkte.

Wenn die wachsende natürliche Nachfrage dann auch noch auf abgeschottete Märkte und eine träge, planwirtschaftlich organisierte Bauernschaft trifft, muss man kein Orakel sein, um zu wissen, wohin die Preise gehen: nach oben. Spekulanten folgen diesem Trend knapper werdender Güter – und nicht umgekehrt. Sie versuchen auch, sich mit Optionsgeschäften auf Terminmärkten gegen die Risiken auf den Aktien- und Anleihemärkten abzusichern. „Sie“ sind allerdings nur selten geldgierige „Zocker“, sondern meistens biedere Investoren wie Pensionsfonds, die den wachsenden Ansprüchen ihrer Klientel gerecht zu werden versuchen.


Woher kommt das viele Geld? Unabhängig davon, ob man nun glaubt, dass Finanzinvestoren die Preise nach oben treiben oder „nur“ einen Trend verstärken, drängt sich die Frage auf, woher sie das viele Geld nehmen, mit dem sie tonnenweise Weizen auf Termin kaufen oder an den Mann bringen. Eine Frage, die allerdings die großen Staatenlenker kaum zu interessieren scheint. Die fehlende Neugier hängt wohl mit der unangenehmen Antwort zusammen: Die an den Rohstoffmärkten veranlagten Gelder kommen direkt aus den Notenpressen der USA und Europas. In beiden Währungsräumen wächst die Geldmenge seit Jahren deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung der dahinter stehenden Staaten. Wodurch sich der Wert des Geldes unweigerlich verringert hat.


Die Säge war's! Hinzu kommt, dass die US-Notenbank Fed sowie die EZB die Zinsen senkten, um verschuldete Staatshaushalte mit billigem Geld zu versorgen. Was auch Finanzinvestoren neue Perspektiven eröffnete: Sie konnten und können sich günstig verschulden, um mit den geliehenen Mitteln Aktien, Anleihen, Gold, Kupfer, Erdöl, Immobilien, gut verzinste Währungen oder agrarische Rohstoffe zu kaufen. Anleger für die Folgen einer fragwürdigen Geldpolitik verantwortlich zu machen, fällt freilich nur Politikern ein, die von ebendieser profitieren. Sie würden vermutlich auch die Säge kritisieren, mit der sich jemand gerade den Ast unter seinem Hinterteil abschneidet.



franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2011)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.