SuperMarkt: Europas Größenwahn

(c) AP (Markus Schreiber)
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Die Euroländer verstärken den Schutzwall gegen angreifende Spekulanten, um damit den Euro zu retten. Gerettet werden freilich andere.

Maria Fekter dürfte ihren Auftritt in vollen Zügen genossen haben. Noch bevor die Sitzung der Finanzminister aller Euroländer ihrem Ende zusteuerte, griff die Vertreterin der Republik Österreich zur Posaune und ließ alle Welt von der frohen Kunde wissen: Soeben sei in Kopenhagen beschlossen worden, die „Brandmauer“ zum Schutz leicht entflammbarer Mitgliedsländer von 500 Milliarden auf 800 Milliarden Euro aufzustocken. Alles andere als erfreut über Fekters Vorstoß war Jean-Claude Juncker, was vor allem daran lag, dass immer noch er offizieller Sprecher der Euro-Gruppe ist. Erbost ließ Monsieur Juncker die geplante Pressekonferenz platzen, Österreichs Finanzministerin hatte ja ohnehin alles ausgeplaudert – „shortly“ und „without von delay“.

Einig waren sich die führenden Köpfe der Euroländer allerdings in ihrer Analyse: Die Aufstockung des permanenten Rettungsschirms sei das von den Finanzmärkten dringend erwartete Zeichen der Beruhigung. Mit der bereitgestellten Liquidität sollen spekulative Angriffe auf hoch verschuldete Eurostaaten schwieriger und ein Übergreifen der Krise auf große Mitgliedsländer wie Spanien und Italien verhindert werden, so die einhellige Schlussfolgerung der Finanzminister.


Turmbau zu Babel? Zu einer etwas anderen Einschätzung kam vor wenigen Tagen Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank. „Genauso wie der Turm von Babel wird auch die Mauer aus Geld niemals den Himmel erreichen. Wenn wir diese immer höher und höher machen, werden wir hingegen immer neue Probleme bekommen – finanzielle wie politische“, sagte Weidmann am Mittwoch in London zur Nachrichtenagentur Reuters. „Wir müssen realisieren, dass das Geld, das wir bereits auf den Tisch gelegt haben, uns keine dauerhafte Lösung der Krise erkaufen wird“, sagte Weidmann.

Wie recht der Mann doch hat. Griechenland ist das beste Beispiel dafür: Hat das Land ursprünglich 15 Milliarden Euro gebraucht, um über die Runden zu kommen, liegt der Finanzbedarf mittlerweile beim Zehnfachen. Mit Steuergeldern in Höhe von 150 Milliarden Euro wird Athen zumindest bis 2014 vor der Pleite bewahrt. Und dann? Ja dann dürften die nächsten Finanzhilfen nötig werden, wie der griechische Ministerpräsident Papademos der italienischen Zeitung „Il Sole 24 Ore“ anvertraut hat.

Kern des Problems ist nämlich weniger ein zu niedriger Schutzwall gegen Spekulanten. Sondern die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der schlingernden Euroländer und deren heillose Überschuldung. Daran wird sich auch nicht viel ändern, wenn die europäischen Partnerländer kurzerhand die Märkte außer Kraft setzen. Genau das machen sie derzeit: Mit der Bereitstellung zusätzlicher Liquidität wird signalisiert, angeschlagene Länder solvent zu halten. Koste es, was es wolle. Gleichzeitig erhalten europäische Großbanken nahezu unbeschränkt Geld, um jene Staatsanleihen aufzukaufen, die auf den Märkten keine Käufer mehr finden. Das wiederum erhöht die Nachfrage nach Anleihen maroder Euroländer, womit die Kosten für den Schuldendienst künstlich niedrig gehalten werden.

Dabei wären es gerade steigende Finanzierungskosten, die den politischen Handlungsbedarf in den betreffenden Schuldnerländern offensichtlich machten und deren Regierungen zum Handeln zwängen. So aber wird den Ländern signalisiert, keinesfalls im Stich gelassen zu werden, womit der Anreiz, die Haushalte in Ordnung zu bringen, naturgemäß sinkt.

Dazu passt, dass das bereitgestellte Geld in Wahrheit gar nicht existiert. Es schlummert nicht in tief unter europäischer Erde angelegten Geldspeichern, es wird bei Bedarf einfach herbeigezaubert. Das kann eine Zeit lang funktionieren – aber nicht auf Dauer. Früher oder später wird Europa erkennen müssen, dass nicht mehr ausgegeben werden kann, als da ist. Der Euro-Rettungsschirm rettet nämlich nicht den Euro, sondern nur jene, die das nicht wahrhaben wollen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2012)


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