Raumordnung: Wo dürfen sich Windräder drehen?

Von links: Wolfram Schachinger (Kanzlei Wolf Theiss) und Heinrich Vana (Kanzlei Breitenecker Kolbitsch Vana).
Von links: Wolfram Schachinger (Kanzlei Wolf Theiss) und Heinrich Vana (Kanzlei Breitenecker Kolbitsch Vana).(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Ein Zonenplan soll den Windparkwildwuchs in Niederösterreich eindämmen. Er schränkt aber auch Baulandwidmungen ein – laut dem vorliegenden Entwurf wohl stärker als nötig.

Wien. Niederösterreich soll demnächst ein „sektorales Raumordnungsprogramm“ für Windkraftanlagen bekommen. Es soll dann fixe Zonen geben, in denen Widmungen als „Grünland-Windkraftanlage“ möglich sind. Der derzeitige Widmungsstopp, der seit 23. Mai 2013 gilt, wäre damit beendet.

Noch steht aber die Entscheidung über den Verordnungsentwurf aus. Dieser weist 85 Eignungszonen aus, die insgesamt zwei Prozent der Landesfläche umfassen. Wirklich glücklich damit dürften nur wenige sein: Während der Begutachtungsfrist, die Mitte Februar endete, langten 930 private Stellungnahmen, 126 Eingaben von Gemeinden und 13 Unterschriftenlisten ein. Die Forderungen reichen, so Umweltlandesrat Stephan Pernkopf in einer Aussendung, „von einer geforderten Verkleinerung oder Ablehnung bis hin zu einer Ausweitung oder auch Neueinrichtung einzelner Zonen“.

Nicht jeder, der will, darf auch

Die IG Windkraft etwa hält 98 Prozent Ausschlussfläche für zu viel, während Windkraftgegner beklagen, dass in manchen Gebieten weit mehr als zwei Prozent der Fläche mit Windrädern zugebaut werden dürfen. Von Gemeindeseite kommt Kritik in beide Richtungen: Die einen bekommen eine Eignungszone, wollen aber keinen Windpark. Die anderen hätten gern einen, dürfen aber, wenn sich am Plan nichts mehr ändert, mangels ausgewiesener Zone keine Flächenwidmung dafür vornehmen. Ein Beispiel ist Mannersdorf am Leithagebirge: Dort gibt es einen Gemeinderatsbeschluss für ein Projekt, bei einer Volksbefragung stimmten 79 Prozent mit Ja. Im Zonenplan ist aber keine Fläche dafür vorgesehen. Nachbargemeinden sollen dagegen Windparkzonen bekommen.

Andersherum wäre es auf den ersten Blick weniger schlimm: Dass ein Areal im Zonenplan aufscheint, bedeutet nicht, dass dort ein Windpark entstehen muss. „Die Flächenwidmung ist weiterhin eine autonome Kompetenz der Gemeinden“, sagt Rechtsanwalt Heinrich Vana, Experte für Umweltrecht und Umweltmediation. Die Gemeinde kann also auch Nein sagen.

Nur hat sie dann ein anderes Problem: Im Nahbereich der für Windparks ausgewiesenen Eignungszonen ist laut dem Verordnungsentwurf keine Baulandwidmung mehr möglich. Und zwar, wie der ebenfalls auf Umweltrecht spezialisierte Rechtsanwalt Wolfram Schachinger erklärt, „unabhängig davon, ob es dort dann auch tatsächlich zu einer Widmung für Windkraft kommt oder nicht“.

Selbst wenn die Windleistung nicht ausreicht und sich schon allein deshalb dort nie ein Windrad drehen wird, darf nach dem jetzigen Wortlaut des Entwurfs in der Umgebung trotzdem nicht gebaut werden. Zwar gibt es laut NÖ Raumordnungsgesetz einen Grenzwert für die Mindestwindleistung. Wird dieser unterschritten, ist eine Flächenwidmung als Windpark von vornherein ausgeschlossen. Gemessen wird aber erst, wenn die Flächenwidmung ansteht. Fazit: Etliche der im Raumordnungsprogramm als geeignet ausgewiesenen Flächen werden wohl schon allein mangels ausreichender Windleistung niemals für Windkraftanlagen gewidmet werden können.

Welchen Sinn hat es dann, wenn es in ihrem Umfeld kein Bauland geben darf? Rechtlich wäre das Problem leicht zu beheben, sagt Schachinger: Es reiche dafür ein klarstellender Satz – eventuell sogar bloß in den Erläuterungen –, dass eine Baulandwidmung im Umland wieder möglich ist, wenn feststeht, dass auf dem betreffenden Areal kein Windpark entstehen wird.

„Wenig Spielraum“

Wenn mehr und größere Gebiete als Eignungszonen ausgewiesen werden, als realistisch ist, bedeutet das aber auch unnötige Aufregung. Große Zonen rufen naturgemäß viel Widerstand hervor. Das schade kleinen Projekten, sagt Schachinger: Über solche könnte man sich leichter einigen, bestünde nicht die Sorge, dass es nicht bei den kleinen Dimensionen bleibt.

Vana kritisiert, dass das strikte Raumordnungsregime „den Betrachtungsspielraum einengt, den es laut europarechtlichen Vorgaben geben müsste“. Es bleibe weniger Raum für die Einzelfallbetrachtung – auch, weil der Plan mitunter Alternativstandorte ausschließt, über die man bisher hätte diskutieren können. Das gehe auch zulasten von Gemeinden und NGOs. „Der Raster ist zu grob“ und mehr Beweglichkeit wäre wünschenswert, sagen beide Experten, die in Verfahren oft auf verschiedenen Seiten stehen. Ein gewisses Problem sei auch, dass das Raumordnungsprogramm in Niederösterreich erst so spät komme. Vana: „Im Burgenland gibt es das seit zehn Jahren.“ Dessen ungeachtet loben beide Juristen die „fachlich tolle Leistung“ bei der Planerstellung und den Dialog mit Windkraftbetreibern und NGOs.

Nur die Gemeinden dürften – siehe oben – bei diesem Dialog etwas zu kurz gekommen sein.

AUF EINEN BLICK

Verfahren. Für einen Windpark muss es eine Flächenwidmung geben, dann wird das Projekt im Genehmigungsverfahren nach diversen Kriterien geprüft. Nötig ist unter anderem eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Raumordnung. Das in Niederösterreich geplante Raumordnungsprogramm beschränkt die Möglichkeit, Windkraftanlagen zu errichten, auf zwei Prozent der Landesfläche. Das soll den Windparkwildwuchs eindämmen. Dass das nötig ist, ist weitgehend unbestritten, über Details des Plans gibt es aber Kontroversen. Rechtlich heikel ist, dass rund um ausgewiesene Eignungszonen keine Baulandwidmungen mehr möglich sind, und zwar nach dem Wortlaut unabhängig davon, ob dort tatsächlich ein Windpark entsteht. Rechtsexperten hoffen hier auf eine Klarstellung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Das Windrad zum Nachbarn – das Geld zu mir

Gemeinden in NÖ fordern mehr Sozialismus.
Archivbild: Windräder im Weinviertel
Österreich

Niederösterreich macht noch weniger Platz für Windräder

Weitere Streichungen im Windkraft-Zonenplan. Dennoch will das Land bis 2015 den gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Quellen decken.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.