Der deutsch-österreichische Stromhandel ist laut E-Control auch nach dem Ende der gemeinsamen Strompreiszone gesichert.
Wien. Die Entscheidung der europäischen Energieagentur Acer, den gemeinsamen Strommarkt von Deutschland und Österreich mit Juni 2018 aufzuheben, brachte die heimische Industrie und österreichische Verbraucher gleichermaßen auf die Barrikaden. Verständlich, beide wären von einem massiven Anstieg des Strompreises empfindlich betroffen. Erst vor wenigen Tagen stellte Voest-Alpine-Boss Wolfgang Eder den Bau des neuen Edelstahlwerks im steirischen Mürztal deshalb infrage. Wenn der Strompreis um 40 Prozent und mehr nach oben gehe, dann wäre das gesamte Vorhaben eventuell unwirtschaftlich, betonte er.
Sowohl die E-Control als auch der Netzbetreiber APG würden die fehlerhafte Entscheidung der Acer mit allen gebotenen Mitteln rechtlich bekämpfen, sagte E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch mehrfach. Allerdings weiß der erfahrene Jurist wohl, dass die rechtlichen Chancen, die Aufgabe der gemeinsamen Strompreiszone zu verhindern, sehr überschaubar sind. Deshalb versuchte die E-Control schon seit geraumer Zeit, mit dem deutschen Regulator auf dem Verhandlungsweg etwas zu bewegen.
Stromaustausch weiterhin möglich
Dem Ziel, den deutsch-österreichischen Stromhandel abzusichern, scheint man nun einen Schritt näher gekommen zu sein. Jedenfalls versprüht die E-Control in ihrer gestrigen Aussendung vorsichtigen Optimismus. Mit dem deutschen Regulator habe man sich auf wichtige Eckpunkte verständigt, sagten die E-Control-Vorstandsmitglieder Wolfgang Urbantschitsch und Andreas Eigenbauer gestern. So wird der unbegrenzte Handel auf dem deutsch-österreichischen Strommarkt statt mit Juni 2018 nun erst mit 1. Oktober 2018 beschränkt. Die Spitzen im Stromaustausch würden zukünftig zwar gekappt, der Stromhandel zwischen den traditionell gut integrierten Märkten werde jedoch auch künftig in großem Umfang möglich sein, heißt es seitens des österreichischen Regulators. Es könnten 4.900 Megawatt (4,9 Gigawatt) Strom durch Langfristkapazitäten vergeben werden. Das entspricht etwa der Hälfte des österreichischen Verbrauchs zu Spitzenzeiten.
„Preisanstieg unter fünf Prozent“
Doch sowohl Industrie als auch Konsumenten interessiert in diesem Zusammenhang vor allem eines: Um wie viel Prozent wird sich der Strompreis mit Oktober 2018 erhöhen? „Wir gehen davon aus, dass die Auswirkungen der Acer-Entscheidung nun relativ gering sein werden, aus unserer Sicht wird sich der Strompreis für die Industrie um höchstens fünf Prozent erhöhen“, sagt Urbantschitsch zu „Presse“. Und Verbraucher wären sogar weit weniger betroffen: „Der Strom macht nämlich nur ein Drittel der Gesamtrechnung aus, die anderen beiden Drittel entfallen auf den Netzbetreiber sowie Steuern und Abgaben.“
Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner bezeichnete die Einigung am Montag als einen „guten Kompromiss im Sinne des Standorts“. Damit bleibe der Stromhandel zwischen beiden Ländern weitgehend möglich, die Unternehmen hätten Planungssicherheit. Und damit seien auch die Auswirkungen der von Deutschland initiierten Entwicklung deutlich geringer als anfangs befürchtet, erklärte Mitterlehner über seinen Sprecher. Weit weniger zufrieden meldete sich die Industriellenvereinigung (IV) zu Wort: „Die nun getroffenen Kompromisse sind von optimal weit entfernt“, sagte Christoph Neumayer, Generalsekretär der IV. Zwar sei es gelungen, für Verbraucher „regelrechte Horrorszenarien“ abzuwenden, dennoch seien mögliche Preissteigerungen auch nach dem Konsens mit der Bundesnetzagentur immer noch nicht exakt abschätzbar, so Neumayer. (APA/hec)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2017)