CO2-Preis setzt Kohle unter Druck

Der Preis für eine Tonne CO2 vervierfachte sich in jüngster Zeit.
Der Preis für eine Tonne CO2 vervierfachte sich in jüngster Zeit.(c) Bilderbox
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Der Preis für eine Tonne CO2 vervierfachte sich in jüngster Zeit.

Wien. Dysfunktional, irreparabel, gescheitert. Der CO2-Markt in Europa wurde in den vergangenen Jahren nicht nur einmal totgesagt. Die Idee, dass Unternehmen von sich aus auf umweltfreundlichere Technologien setzen, weil sie für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid bezahlen müssen, ging lange Zeit nicht auf. Bei Preisen von vier, fünf Euro je Tonne CO2 gab es schlichtweg keinen ökonomischen Anreiz, auf saubere Produktionsmethoden umzustellen.

Doch in den vergangenen Monaten hat sich der Preis für CO2-Zertifikate in Europa beinahe unbemerkt vervierfacht. Mehr als zwanzig Euro sind heute dafür zu bezahlen, diverse Studien prognostizieren einen Preis von 35 bis 100 Euro in den nächsten Jahren. Verantwortlich für den plötzlichen Boom ist die EU-Kommission, die im Mai ihre Reform für den Emissionshandel für 2021 bis 2030 vorgestellt hatte. Dabei sollen unterschiedliche Industrien einerseits schrittweise weniger CO2-Zertifikate einsetzen dürfen. Andererseits wird Brüssel auch CO2-Zertifikate vom Markt nehmen, um das Angebot künstlich zu verknappen.

Rascherer Kohleausstieg?

In der Strombranche sind die Auswirkungen des Preisanstiegs bereits gut sichtbar. Wasserkrafterzeuger wie der heimische Verbund – aber auch alle anderen Ökostromproduzenten – profitieren von höheren CO2-Preisen.

Umgekehrt setzt die Entwicklung fossile Kraftwerke zunehmend unter Druck. Vor allem für die Kohlekraftwerke in Deutschland könnte es schon bald eng werden. Manche Anbieter haben sich zwar bereits vorsorglich mit billigen CO2-Zertifikaten eingedeckt. Sind diese aber aufgebraucht, sind spätestens ab einem Preis von 30 Euro je Tonne CO2 die meisten Kohlekraftwerke nicht mehr konkurrenzfähig.

Der Politik kann diese Entwicklung nur recht sein. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist in der Bundesrepublik längst beschlossene Sache. Eigentlich hätte die deutsche Kohlekommission bis Ende 2018 einen Generalplan für den geordneten Ausstieg vorlegen sollen. Sie steht nun vor dem Dilemma, dass ihr Plan bei Veröffentlichung längst durch den Marktdruck obsolet geworden ist. Die Befürworter der Energiewende wollen dennoch nicht auf die Kommission verzichten. Auf den CO2-Preis allein vertrauen sie nicht. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)

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