Studie: „Zweifel an Griechenland beenden“

c Dapd Lefteris Pitarakis
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Athen hat mehr Reformen als jedes andere Euroland zuwege gebracht. Experten raten zu einem Ende der reinen Sparpolitik und verweisen auf die nächste Baustelle Frankreich.

Wien. Die Euro-Finanzminister nahmen am Montag den dritten Anlauf, um die Auszahlung der nächsten Hilfstranche für Griechenland auf den Weg zu bringen. Sie soll mindestens 31,5 Milliarden Euro umfassen. Fast als wollte er die Europartner rechtzeitig vor der Entscheidung zur Ordnung rufen, veröffentlichte der „Lisbon Council“ eine Gesamteinschätzung der Euroländer, aus der klar hervorgeht, dass Athen von allen Euro-Regierungen mittlerweile die meisten Reformen auf den Weg gebracht hat. Auch die anderen Krisenländer Irland, Spanien und Portugal hätten notwendige Anpassungen vorgenommen, heißt es in der Studie. So progressiv habe sich sonst nur Estland entwickelt.

„Es sei an der Zeit, die ständigen Zweifel an Griechenland und die Darstellung eines immanenten Desasters in diesem Land zu beenden“, fordern die Autoren der Studie, Holger Schmieding, ehemaliger IWF-Analyst und heutiger Chefökonom der Berenberg Bank sowie Christian Schulz, der nach seiner Tätigkeit bei der EZB nun ebenfalls für die Berenberg Bank tätig ist. Sie empfehlen eine klare Vision, um Griechenland im Euro zu halten. Für kontraproduktiv halten die Autoren, wenn der Spardruck auf Griechenland weiter erhöht würde. „Austerität ist eine potente Medizin, aber sie muss in der richtigen Dosierung genutzt werden.“ Kein Land sollte pro Jahr mehr als zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung im Staatshaushalt einsparen.

Die Studie sieht die Problemländer Südeuropas und Irland trotz ihrer aktuellen haushaltspolitischen Schwierigkeiten auf gutem Kurs. Problematisch schätzt sie hingegen die Lage in Frankreich ein. „Zwar haben sich die Regierung und der Präsident geändert, sonst aber nichts.“ Scharfe Kritik übt das Papier an den von François Hollande durchgesetzten Steuererhöhungen. Frankreich habe aufgrund seiner starken Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt und seiner Steuerpolitik mittlerweile ein „ernstes Problem“. Kritisiert wird, dass Frankreich im Vergleich mit den anderen Euroländern einen deutlich höheren Anteil seiner Wirtschaftsleistung für die Finanzierung des Staates verbrauche. Außerdem seien die Exportleistungen zu schwach. Die übermäßig gestiegenen Löhne hätten die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert.

(c) DiePresse

Dynamischste Westregion

Im Gegensatz zu Frankreich habe Italien bereits die richtigen Reformen eingeleitet und so seine Leistungsbilanz verbessern können. Regierungschef Mario Monti habe das Land wieder auf einen Zukunftskurs gebracht. Allerdings könnte Italien ebenso wie Spanien einen Rückfall erleben, wenn die Krise in Griechenland nicht endlich gelöst werde, warnen die Autoren. Als derzeit erfolgreichste Wirtschaftsnationen Europas werden Deutschland, Schweden, die Niederlande und Polen angeführt. Das Land mit den gesündesten Wirtschaftsvoraussetzungen ist laut dem Ranking derzeit Estland.

Durch die erzielten Reformen, aber auch durch Anpassungen wie die Senkung der Lohnstückkosten in hoch verschuldeten Ländern habe sich insgesamt die globale Ausgangslage für die Eurozone deutlich verbessert. „Sie könnte sich sogar aus der Krise zu der dynamischsten Wirtschaftsregion des Westens entwickeln“, heißt es in der Studie. Ein Grund sei, dass Japan und die USA bisher solche Reformen – wie die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, die Sanierung ihres Staatshaushaltes oder die Senkung der Lohnstückkosten – nicht glaubhaft begonnen hätten.

Österreich: Zu hohe Staatskosten

Österreich wird von den Experten des Lisbon Council ein gutes Zeugnis ausgestellt. Zwar sei das Land nicht so „dynamisch wie Deutschland“, es habe nur wenig notwendige Anpassungen umgesetzt, doch sei seine Wirtschaft weitgehend gesund. Kritisiert werden die nach wie vor hohen Staatsausgaben, ein zu regulierter Dienstleistungsmarkt und Probleme bei der Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2012)

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