Kydland: "Die Eurozone war von Beginn an ein Fehler"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wirtschaftsnobelpreisträger Finn Kydland über die Berechenbarkeit von Politikern, den Grundfehler bei der Umsetzung der Euro-Währungszone und darüber, was man von Irland lernen kann.

Die Presse: Eine Ihrer Theorien, für die Sie den Nobelpreis bekommen haben, lautet, dass der Schaden für die Wirtschaft enorm sein kann, wenn sich Politiker nicht an ihre Versprechen halten. Wir hatten gerade eine Wahl in Österreich – das ist doch ein politisches Faktum.

Finn E. Kydland: Deswegen ist es ja ein Problem. Wenn Politiker unberechenbar sind, ist das ein enormes Problem für die Wirtschaft. Unternehmen müssen wissen, wie das wirtschaftliche Umfeld mittel- und langfristig aussieht.

In den USA wusste man ja nicht einmal, was das Land am Ende dieser Woche erwartet.

Ganz genau, das war eine gravierende Verunsicherung, und dieser ganze Budgetstreit hat die USA ein paar Zehntel Prozentpunkte Wachstum gekostet.

In Demokratien wird es diese Auseinandersetzungen aber immer wieder geben.

Es gibt Nationen, die ein politisches System mit Elementen einer Demokratie haben, das aber einem autoritären System sehr nahe kommt: Singapur, Hongkong, China. Das sind berechenbare Systeme, die wirtschaftlich nicht so schlecht dastehen.


Da ist uns aber eine unberechenbare Demokratie schon lieber.

Noch besser ist eine berechenbare Demokratie.


Hat die Politik zumindest geholfen, die Wirtschaftskrise besser zu überstehen?

Eher nicht. In den USA gibt es zwei Entwicklungen: Einmal gab es 2008 eine recht gute Finanzpolitik mit der Konsequenz, dass die Banken ihr Eigenkapital und ihre Reserven aufgestockt haben. Das Risiko ist damit geringer geworden und man hat ein ernsthaftes Deflationsrisiko vermieden. Andererseits aber gibt es die quantitative Lockerung (die Fortsetzung einer expansiven Geldpolitik, obwohl der Zinssatz der Zentralbank bereits fast auf null gesetzt ist, Anm.), die sehr gefährlich ist. Der Effekt auf die Wirtschaft ist nicht sehr groß, aber dafür hat man das enorme Problem, wie man hier wieder rauskommt und was passiert, wenn die Fed damit aufhört. Wenn es eine Wirtschaftserholung gibt und die Fed reagiert zu langsam, droht uns eine hohe Inflationsrate. Es gibt einfach rund um dieses Programm viele Fragen und viele Unsicherheiten, und das ist schlecht für die Wirtschaft.


Steht uns demnach schon die nächste Krise bevor?

Dieses Problem muss nicht unbedingt eine Krise auslösen. Aber die Gefahr ist, dass sich die Wirtschaft nicht so schnell erholt, wie sie es sonst tun würde.

Aber im Vergleich zu Europa geht es der US-Wirtschaft doch besser.

Relativ schon. Aber Deutschland geht es nicht schlecht, Österreich steht auch nicht so schlecht da. Wenn man zum Vergleich den Durchschnitt der Eurozone nimmt, stimmt die Einschätzung – aber daran sind die Problemländer Italien, Spanien, Portugal und Griechenland schuld.

Wie kann man das Problem lösen, dass diese Länder die ganze Eurozone belasten?

Die Eurozone war wahrscheinlich von Beginn an ein Fehler. Robert Mundell, der Vater des Euro, schrieb vor etwa 50 Jahren ein recht interessantes Papier, in dem er feststellte, dass Währungszonen erfolgreicher sind, je ähnlicher sich die Länder sind. Schauen Sie sich die Länder an, die man im Euro zusammengefasst hat...

Es gibt ja immer wieder die Diskussion, den Euro in eine starke Nord- und eine schwache Südwährung aufzuteilen. Ist das eine Lösung?

Das würde wirtschaftlich ähnliche Länder zusammenfassen, das schon. Aber ich glaube nicht, dass das das Problem lösen würde. Der Euro ist ein „red herring“ (englische Redewendung, die ein Ablenkungsmanöver beschreibt, Anm.), in Wirklichkeit geht es um die Produktivität in den Krisenländern. Von 1960 bis 1990 ist die Produktivität in Spanien, Portugal und Italien beständig gestiegen. Seit 1990 aber ist sie ziemlich gleich geblieben. Das ist das Problem: Wenn die Kurve nicht nach oben geht, werden diese Länder sehr lange Zeit in Schwierigkeiten sein. Wenn man nur eine neue Währungszone schafft, löst das nicht die grundlegenden Probleme.

Irland war ja viele Jahre lang auch ein Problemfall. Wie hat es dieses Land geschafft, seine darniederliegende Wirtschaft nach oben zu bringen?

Irland ist ein gutes Beispiel, wie es anders geht. Dem Land ging es bis 1990 nicht viel besser als Spanien oder Griechenland. Sie hatten ein gutes Bildungssystem, gut ausgebildete Arbeitskräfte, nur hatten die keinen Arbeitsplatz. Also hat sich Irland entschieden, die Steuern massiv zu senken und diese Steuersätze für die nächsten 20 Jahre festzuschreiben. Das war wahrscheinlich der noch wichtigere Schritt. Investoren wussten also, unter welchen Bedingungen sie investieren und konnten für zehn, 15 Jahre kalkulieren. Irland, das erst mit Spanien zu vergleichen war, hat dann binnen zehn Jahren mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Dänemark, Großbritannien und Frankreich überholt.

Am Ende schlitterte das Land dann doch in die Krise.

Das Problem waren die Banken: Es gab zu lasche Regelungen, zu wenig Regulierung, und am Ende musste das Land seine Banken vor dem finanziellen Untergang retten. Das war in jeder Hinsicht eine verheerende Entscheidung mit enormen Kosten für die Steuerzahler. Aber das hat nichts mit dem Grund für den Aufschwung zu tun: Die Idee, eine Finanzpolitik völlig vorhersagbar zu machen, war gut und richtig.

Irland kann jetzt auch früher als erwartet den Rettungsschirm wieder verlassen.

Die Zukunft Irlands sieht auch im Vergleich mit anderen Ländern viel besser aus, weil die Produktivität besser ist. Sie liegt allein 40 bis 50Prozent über der von Spanien. Irlands Zukunft sehe ich ziemlich positiv.

ZUR PERSON

Finn Kydland erhielt 2004 gemeinsam mit Edward Prescott den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Arbeiten zur dynamischen Makroökonomie. Der gebürtige Norweger unterrichtet an der University of California in Santa Barbara. Er war u.a. auf Einladung der Außenwirtschaft Austria der Wirtschaftskammer in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)


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