Die EZB finanziert Staaten auf Umwegen – und hat damit bisher wenig Erfolg

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Die 500 Milliarden, die die Europäische Zentralbank (EZB) vor Kurzem ins Bankensystem geschüttet hat, zeigen noch keine Wirkung: Die Zinsen für Staatsanleihen von Peripheriestaaten bleiben weiterhin hoch.

Wien. Diese Woche wird es für die Eurozone noch ziemlich spannend: Für Donnerstag und Freitag sind in Rom und Madrid Staatsanleihenauktionen angesetzt – und da wird sich zeigen, ob der jüngste Coup der EZB, zwecks Entspannung der Eurokrise ein halbe Billion Euro ins Bankensystem zu schütten, auch die gewünschte Wirkung zeigt.

Gut möglich, dass dann die Eurokrise gleich wieder ein wenig aufkocht. Denn der erste Versuch, eine Auktion italienischer Staatsanleihen, ist am 29. Dezember des Vorjahres eher danebengegangen. Wie berichtet hat die EZB den europäischen Banken vor Jahresende knapp 500 Milliarden Euro in Form eines dreijährigen Darlehens zur Verfügung gestellt. Offiziell, um die Liquidität des mit größeren Problemen kämpfenden Bankensektors zu verbessern. Inoffiziell, um den Banken billiges Geld zum Erwerb von Euro-Staatsanleihen zur Verfügung zu stellen.

Italien braucht Hunderte Milliarden Euro

Denn der Kapitalhunger der europäischen Staaten ist hoch. Besonders jener der Problemländer. Italien etwa muss sich allein in den kommenden vier Monaten 300Milliarden Euro besorgen, um ablaufende alte Staatsanleihen zu refinanzieren. Geld, das auf dem Kapitalmarkt nicht oder nur zu sehr hohen Zinsen aufzutreiben ist.

Theoretisch könnte die EZB einspringen und die Anleihen direkt zu moderaten Zinsen aufkaufen. Das ist ihr aber verboten. Denn Staatsfinanzierung direkt aus der Notenpresse gilt als Auslöser hoher Inflationsraten und ist in der stabilitätsorientierten Eurozone tabu. Theoretisch, wie gesagt.

In der Praxis hat die EZB den Tabubruch notgedrungen – um Staatspleiten zu verhindern – längst begangen. Der Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt (also von den Banken, die auf diese Weise elegant „wackelnde“ Staatspapiere aus den Büchern bekommen) ist so ein Fall. Deutlich mehr als 200Milliarden Euro frisch geschaffenes Geld hat die EZB auf diese Weise schon ins System gepumpt.

Die gewünschte Wirkung ist aber ausgeblieben: Hoch verschuldete Euroländer wie Italien, Spanien oder gar Griechenland müssen weiter sehr hohe Zinsen zahlen, um an Geld zu kommen.

Deshalb hat die EZB knapp vor Jahreswechsel wohl die nächste Stufe der Rettungsrakete gezündet: Den De-facto-Aufkauf von Staatsanleihen über die sogenannten Auktionsbanken. Das sind jene europäischen Großinstitute, die sich als „Primärhändler“ direkt an den Staatsanleihenauktionen beteiligen dürfen.

Nächste Stufe der Rettungsrakete

Der Deal funktioniert in etwa so: Die Großbanken besorgen sich sehr billiges Geld (ein Prozent Zinsen) bei der Euro-Notenbank und kaufen damit deutlich höher verzinste Euro-Staatsanleihen auf. Ein für die Banken sehr ertragreiches und noch dazu relativ sicheres Geschäft: Wenn es brenzlig wird, können sie die Papiere ja bei der EZB als „Sicherheit“ für frisches Geld hinterlegen. Als Gegenleistung verlangen sie von den Anleiheemittenten moderatere Risikoaufschläge und verschaffen den wackelnden Eurostaaten damit etwas Luft bei den Zinsenzahlungen – so der Plan.

Denn die von Regierungen immer wieder ins Spiel gebrachten „Märkte“ oder „Spekulanten“, die Staaten mit schlechterer Bonität so hohe Risikoprämien abverlangen, sind ja keine dunklen Mächte, sondern eben jene „Primärhändler“. Pro Land sind das zwischen 20 und 40 Institute, die bei Staatsanleihenauktionen mitbieten dürfen und damit auch den Zinssatz bestimmen. Ein paar ganz Große aus Europa und den USA, „aufgefettet“ durch die japanische Nomura, sind praktisch überall dabei, lokale Großbanken geben der Primary-Dealer-Liste des jeweiligen Landes zusätzlich Lokalkolorit. In Italien (20 Primärhändler) und in Spanien (21 Primärhändler) werden diese Woche beispielsweise Institute wie die Deutsche Bank, BNP Paribas, Credit Suisse, Société Générale, Royal Bank of Scotland, Citigroup, JPMorgan und Goldman Sachs wesentlich mitbestimmen, ob eine Refinanzierung zu moderateren Zinssätzen als zuletzt (siehe Grafik) möglich wird oder nicht.

Besonders gut schaut es dabei freilich nicht aus, denn die Generalprobe ist am 29.Dezember wie gesagt eher daneben gegangen. Italien ist damals unmittelbar nach der 500-Milliarden-Spritze der EZB an den Kapitalmarkt herangetreten. Und hat sich dabei ein paar Beulen geholt. Zwar wurden mehr als sieben Milliarden Euro an Anleihen „untergebracht“. Aber entweder zu kurzen Laufzeiten oder zu sehr hohen Zinsen. Für zehnjährige Papiere mussten die Italiener knapp sieben Prozent akzeptieren – kaum weniger als vor der riesigen EZB-Spritze. Und vor allem viel zu viel für eine dauerhaft tragfähige Staatsfinanzierung.

Sollten die Zinsen auch bei den nächsten Auktionen so hoch bleiben, dann haben die „Peripheriestaaten“ jedenfalls ein Problem. Und die sündteure „Umwegfinanzierung“ der Staaten durch die EZB über die Banken wäre ein Flop. Kein Wunder, dass sich in den vergangenen Tagen auch unter jenen Ökonomen, die direkte Staatsfinanzierung für reines Gift halten, die Stimmen gehäuft haben, die meinen, die EZB könnte unter diesen Umständen gleich das Versteckspiel lassen und dort, wo wirklich Not am Mann sei, direkt intervenieren. Das sei ihr zwar verboten – aber dieses Verbot habe sie in den vergangenen Monaten mit ihren Umwegfinanzierungen ohnehin schon mehrfach gebrochen.

Streben nach Sicherheit

Wenngleich: Am Geld für umfangreiche Anleihenkäufe mangelt es auch bei den Banken wahrlich nicht: Deren Einlagen bei der EZB sind zuletzt auf den Rekordstand von fast einer halben Billion Euro gestiegen. Ein Zeichen dafür, dass sie den Geldsegen von der EZB aus Sicherheitsgründen gleich wieder bei der Notenbank bunkern.

Dieses Streben nach Sicherheit in einer eskalierenden Krise treibt übrigens seltsame Blüten: Die deutsche Finanzagentur hat gestern Geldmarktpapiere mit sechsmonatiger Laufzeit erstmals mit einer negativen Rendite (minus 0,0122 Prozent) im Markt untergebracht. Deutschland gilt als sicherer Hafen in der stürmischen Eurozone, seine Anleihenzinsen sind die „Benchmark“, an der sich die Risikoaufschläge für weniger solvente Länder orientieren. So groß ist das Sicherheitsbedürfnis also schon geworden, dass Großanleger neuerdings sogar dafür bezahlen, ihr Geld ein paar Monate in Deutschland bunkern zu dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2012)

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