Der französische Präsident stilisierte den Erhalt der Rating-Bestnote zu einem Beweis seines Krisenmanagements. Die Wähler könnten ihn nun bald abstrafen.
Auch wenn er es sich im Nachhinein sicher nicht eingestehen wird, ist Nicolas Sarkozy heute genau in der Situation, die er um jeden Preis vermeiden wollte. Frankreich ist von Standard & Poor's wegen seiner Finanzpolitik mit einem Downrating sanktioniert worden. Das war seit Längerem erwartet worden. Deutschland dagegen bleibt im stark geschrumpften Klub der Musterschüler, was für den französischen Staatschef noch viel schlimmer ist.
Als noch im Dezember die Rating-Agenturen die gesamte Eurozone, einschließlich Deutschland, unter Aufsicht stellten, atmete Frankreichs Präsident auf. Geteiltes Leid sollte halbes Leid werden: „Zusammen mit einem ebenfalls herabgestuften Deutschland wäre das nicht mehr dieselbe Geschichte“, meinte er noch vor ein paar Wochen. Nun ist es aber nicht so gekommen. Stattdessen befindet sich Frankreich nun in wenig beneidenswerter Gesellschaft. „Ich will nicht Chef des ,Club Med‘ werden!“, hatte Sarkozy vor Wochen noch geschworen. Damit meinte er den „Klub“ der verschuldeten südlichen EU-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien), denen mangelnde Budgetdisziplin vorgeworfen wird und die wegen ihrer Anfangsbuchstaben im angelsächsischen Raum despektierlich als „PIGS“ bezeichnet werden.
Zittern um die Wiederwahl. Die Abwertung kompliziert Sarkozys Aufgabe und erst recht seine inoffiziell geführte Kampagne für die Wiederwahl in hundert Tagen. In späteren Wahlanalysen nach dem 6.Mai werden Politologen vielleicht festhalten, dass der amtierende Präsident an jenem Freitag, den 13., das Vertrauen seiner Mitbürger und die Chance für ein zweites Mandat definitiv verloren habe.
In diese unerfreuliche Lage hat sich Sarkozy freilich weitgehend selber gebracht, indem er monatelang versprochen hatte, dank seiner Führungsstärke und Krisenpolitik werde Frankreich die Blamage der Desavouierung durch die verhassten Ratingagenturen erspart bleiben. So hat Sarkozy selber den Kampf um die Bestnote zu einer Entscheidungsschlacht erklärt. Dass ihm dabei nicht ganz wohl war, haben seine engsten Mitarbeiter verraten, denen er noch Anfang Dezember gesagt haben soll: „Wenn wir die Triple-A-Note verlieren, bin ich erledigt.“
Von dieser bösen Vorahnung ist er an diesem Wochenende eingeholt worden und seine Gegner wiederholen mit genüsslicher Schadenfreude Sarkozys Ausspruch. Dem sozialistischen Gegenkandidaten François Hollande fällt es leicht, den Präsidenten für Frankreichs verschlechterte Kreditwürdigkeit persönlich verantwortlich zu machen: „Nicolas Sarkozy hat aus der Bewahrung der Triple-A-Note sein politisches Ziel und eine Verpflichtung für seine Regierung gemacht. Dies diente als Rechtfertigung von zwei Sparplänen innerhalb von vier Monaten. Diese Schlacht ist, zu meinem Bedauern, verloren worden. Das stellt die Glaubwürdigkeit der Strategie (des Präsidenten) seit 2007 in Frage. Dieser fehlte es an Kohärenz, Konstanz und vor allem blieben die Ergebnisse aus.“
Profitieren wird von diesem Rückschlag der Staatsführung aber auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie sieht in dieser Krise der Finanzpolitik und den Währungsproblemen nur einen weiteren Beweis für die Notwendigkeit, aus der Euro-Gemeinschaft und der EU auszusteigen. Im höheren Interesse der angeschlagenen Nation versöhnlich gibt sich der sonst sehr kritische Zentrumsdemokrat François Bayrou: Er hält den Zeitpunkt für einen politischen Burgfrieden und eine „nationale Union“ der Linken und Rechten für gekommen. Bisher hat die Debatte über die verlorene Bestnote aber nur die Polemik verschärft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2012)