Mit Spannung blicken die Märkte auf bevorstehende Verkäufe von Staatsanleihen der Euroländer. Es stellt sich die Frage, zu welchen Konditionen Investoren den Staaten noch Geld leihen.
Nach den Herabstufungen kommt das Schuldenmachen. Die krisengeplagten Euroländer werden in den kommenden Monaten Staatsanleihen in Höhe von hunderten Milliarden Euro begeben müssen, um ihre Verschuldung auch weiterhin finanzieren zu können. Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit von neun Euroländern gesenkt hat, stellt sich die Frage, zu welchen Konditionen Investoren den betroffenen Staaten noch Geld leihen. „Die Presse“ beantwortet die wichtigsten Fragen.
1 Welche großen Emissionen von Staatsanleihen stehen nun an?
Allein Italien muss in den ersten vier Monaten des Jahres 300 Milliarden Euro an Schulden refinanzieren, weil bestehende Staatsanleihen auslaufen. Griechenland muss im März 14,5 Milliarden Euro zurückzahlen – Geld, das das Land auf dem Kapitalmarkt nicht mehr bekommt, weshalb es auf die weitere Unterstützung von EU, IWF und EZB hofft.
Zuletzt hatten die Emissionen im Euroraum Anlass zu Hoffnung gegeben. Spanien und Italien konnten vergangene Woche relativ problemlos zwölf beziehungsweise zehn Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, was nicht zuletzt an einer 500 Milliarden Euro schweren Geldspritze der EZB an die Großbanken liegen dürfte. Einen Vorgeschmack darauf, was sich durch die Herabstufungen geändert hat, könnte schon der Montag bringen: 8,7 Milliarden Euro will Paris einsammeln – erstmals seit 1975 nicht mehr mit der Bestnote aller drei großen Agenturen ausgestattet.
2 Stürzen die Herabstufungen die Eurozone noch weiter in die Krise?
Auch wenn Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel versichert, dass die Abstufung die Euro-Rettung „nicht torpedieren“ werde: Einfacher wird sie dadurch sicher nicht. Mit Frankreich und Österreich verliert die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), jene Hilfskonstruktion mit der Europas Politik versucht, Geld für angeschlagene Mitgliedsländer einzusammeln, zwei seiner kreditwürdigsten Unterstützer. Umgehend warnte die Deutsche Bank, dass nun auch der Rettungsfonds seine AAA-Bonität verlieren könne. Dann müsste wohl auch die EFSF ihren Investoren mehr Zinsen bieten.
Schon bisher zeigten Großinvestoren kaum Interesse, in die Rettung der Eurozone zu investieren. In den kommenden Wochen benötigt die EFSF einen zweistelligen Milliardenbetrag, um Griechenland stützen zu können. Noch heuer soll der ESM seine wenig erfolgreiche Vorgängerin EFSF ablösen. Ein Jahr früher als geplant. Bis dahin freunden sich Europas Politiker offenbar schon mit den geänderten Bedingungen an. So meinte Merkel am Sonntag: „Auch AA+ ist kein schlechtes Rating“.
3 Wie relevant ist der Alleingang von Standard & Poor's?
Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger hoben hervor, dass Österreich nur bei Standard & Poor's sein Triple A verloren hat. Die beiden anderen wichtigen Agenturen, Moody's und Fitch, stufen sowohl Frankreich, wie auch Österreich nach wie vor als Topschuldner ein. Deshalb allerdings den Schluss zu ziehen, dass dies automatisch so bleiben wird, wäre fatal. S&P ist der größte und wichtigste Spieler am Markt und gilt als Vorreiter. Die US-Agentur war es auch, die den USA als erste das Triple A entzog. Bislang sind Moody's und Fitch weder bei den USA, noch bei Frankreich und Österreich nachgezogen – das könnte sich aber durchaus ändern.
4 Warum bedeuten Herabstufungen nicht automatisch höhere Zinsen?
Erstens, weil die Investoren die „Downgrades“ ohnehin bereits erwartet haben. Österreich musste für zehnjährige Staatsanleihen im November 3,8 Prozent Rendite zahlen, obwohl das Land noch bei allen Agenturen die beste Kreditwürdigkeit genoss. Im Dezember fiel die Rendite und liegt nun bei 3,1 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland, als einziges Euroland mit Triple A und stabilem Ausblick, bezahlt nur 1,75 Prozent für seine zehnjährigen Papiere.
Zweitens spielt auch die EZB eine wichtige Rolle. Die Zentralbank kauft am Sekundärmarkt Staatsanleihen der Krisenländer auf und versucht so, die Zinsen künstlich niedrig zu halten, damit sich die Staaten günstiger refinanzieren können. Mittlerweile sitzt die EZB auf Staatsanleihen von mehr als 200 Milliarden Euro – ein Betrag, der in Zukunft noch weiter steigen dürfte.
5 Wird Österreich den Investoren nun mehr bieten müssen?
Das ist schwer vorherzusagen. Bereits jetzt würde sich Österreich pro Jahr mehr als eine Milliarde Euro sparen, wenn es seine Staatsanleihen zu den selben Konditionen wie Deutschland an den Mann brächte. Trotzdem ist ein weiterer Anstieg der Zinsen durchaus möglich – vor allem wenn die Reformbemühungen der Regierung die Geldgeber nicht überzeugen. Heuer benötigt Österreich mehr als 20 Milliarden Euro und bis zum Jahr 2015 rund 100 Milliarden Euro von den Kapitalmärkten, um auslaufende Staatsanleihen zu refinanzieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2012)