Geldsystem: Das Endspiel nimmt Form an

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Die Gelddruckprogramme der Zentralbanken werden immer größer. Laut Credit Suisse könnte die EZB demnächst bis zu zehn Billionen Dollar in den Markt pumpen, um Zeit für das Finanzsystem zu kaufen.

Wien. Meldungen können trügerisch sein – und positive Meldungen besonders trügerisch. So sieht es oberflächlich derzeit so aus, als hätte sich die Eurokrise entspannt. Spanien, Italien und auch der „Euro-Rettungsschirm“ EFSF konnten in den vergangenen Tagen erfolgreich Anleihen platzieren, und in Griechenland wird fieberhaft über einen Schuldenschnitt verhandelt. In der öffentlichen Diskussion ist von einer „Entspannung“ die Rede, von einem „Aufatmen in Europa“.

Aber nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Tatsächlich sind die geglückten Anleihenauktionen nur dem Eingreifen der EZB zu verdanken. Und die Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern über einen Schuldenschnitt bisher ein Desaster. Wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, könnte das Land laut griechischer Regierung im März endgültig in den Staatsbankrott schlittern. Und weil die Zentralbanken das wissen, statten sie die Banken vorsorglich mit Geld aus – um Zeit für das Finanzsystem zu kaufen. Denn die erste Regel der Notenbanken lautet: Brauchst du Zeit, drucke Geld.

EZB-Chef Draghi druckt

Die Schweizer Großbank Credit Suisse schreibt dazu: „Das Endspiel nimmt Form an. Die ultimative Frage bleibt: Wird am Ende Deutschland auch Frankreich retten?“ Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen derzeit die Europäische Zentralbank (EZB) und die Frage, wie viel frisches Geld sie drucken wird. Der neue EZB-Chef Mario Draghi hat bereits in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit bewiesen, dass er die Inflationsangst seines Vorgängers Jean-Claude Trichet nicht teilt.

Er hat immer wieder gesagt, dass er die Banken mit aller Liquidität versorgen will, die diese benötigen. Und er hat geliefert. Beim ersten von zwei Angeboten billiger Dreijahreskredite per Ende Dezember haben die Institute fast 500 Mrd. Euro abgerufen. Im großen Spiel der Notenbanker, die fest davon überzeugt sind, dass sie die Probleme der Weltwirtschaft durch das elektronische „Drucken“ von immer mehr Geld lösen können, galt die EZB vor Draghi noch als zurückhaltend.

Anders als die US-Notenbank Fed darf die EZB Anleihen jedoch nicht direkt von den Staaten kaufen. Daher versorgt sie stattdessen die Banken mit Geld, damit diese das erledigen. Zudem kauft sie auf dem sogenannten Sekundärmarkt dann doch Staatsanleihen von diesen Banken (bisher in der Höhe von rund 200 Mrd. Euro). Vor diesem Hintergrund ist der Dreijahreskredit als „Gelddrucken durch die Hintertür“ zu verstehen. Eine Methode, die die EZB gerade zu perfektionieren scheint.

Dieses Aufblähen der Geldmenge führt zu Inflation. Eine Entwicklung, die vor allem Deutschland Angst zu machen scheint. Zuletzt meinte der Bundesbanker Carl-Ludwig Thiele, die Idee, das benötigte Geld einfach zu drucken, „muss ein für alle Mal vom Tisch“. Aber wenn die Spekulationen der Banken auch nur ansatzweise zutreffen, steht der Welt stattdessen ein neues Kapitel im großen Gelddruckspektakel bevor. Denn die zweite Regel der Notenbanken lautet: Du musst immer mehr Geld drucken als beim letzten Mal.

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Zehn Billionen Dollar?

Am 29. Februar – einen Monat vor dem wahrscheinlichen Bankrott Griechenlands – wird der Dreijahreskredit der EZB noch mal aufgelegt. Die Credit Suisse schreibt, man habe Spekulationen von einer Liquiditätsspritze von „bis zu zehn Billionen Dollar“ vernommen.

Man bedenke: Die Bilanz der EZB ist durch die Hintertür-Gelddruck-Programme bereits jetzt auf 2,7 Billionen Euro aufgebläht(siehe Grafik). Selbst eine Geldspritze in der Höhe von „nur“ einer Billion Euro würde die EZB-Bilanz explodieren lassen und die Inflationsgefahr verschärfen.

Auf eine kurze Börsenrallye würde der Verfall des Eurokurses folgen. Das würde zwar die europäische Exportwirtschaft stärken, aber auch den Abwertungswettlauf zwischen den Währungen weiter beschleunigen. Die Federal Reserve müsste die Notenpressen selbst wieder anwerfen und die dritte Auflage ihres oft kritisierten Gelddruckprogramms „Quantitative Easing“ starten, um die US-Wirtschaft zu schützen.

Die möglichen Folgen sind nicht abzuschätzen. Denn die dritte Regel der Notenbanken wird selten bedacht: Irgendwann kannst du keine Zeit mehr kaufen, egal, wie viel Geld du druckst. Oder, wie die Credit Suisse meint: „Wir bleiben überzeugt, dass die entscheidende Krise noch bevorsteht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2012)

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