Immofinanz schlittert in Liquiditätskrise

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Finanzengpässe drohen, Milliarden-Projekte im Osten auf Eis gelegt. Die Liste an Kritikpunkten der Kempen-Analysten ist jedenfalls lang.

Wien. Die jüngsten Kursstürze der heimischen Immobiliengesellschaften Immoeast und Immofinanz (die Kursverluste übertreffen unterdessen jene der Meinl European Land, die sich nach dem Verkauf an Gazit stabilisiert hat) haben offenbar einen ernsten Hintergrund: Wie aus einem der „Presse“ exklusiv vorliegenden aktuellen Report des auf Immobilien spezialisierten internationalen Analysehauses Kempen hervorgeht, drohen den beiden miteinander eng verwobenen Gesellschaften in den nächsten Monaten ernste Liquiditätsengpässe.

Die geplanten Projekte der beiden Gesellschaften müssten stark zurückgefahren werden, trotzdem würde die Immoeast 1,4 Mrd. und die Immofinanz fast 460 Mio. Euro Finanzbedarf haben – der bei der derzeitigen Marktsituation schwer zu decken sei.

Wie zur Bestätigung teilte die Immofinanzgruppe am Freitag mit, sie werde das Volumen der in Bau befindlichen oder geplanten Objekte von 4,4 auf zwei bis 2,5 Mrd. Euro kürzen und zur „Sicherung der Liquidität“ Immobilien um 800 Mio. Euro verkaufen.

Die Liste an Kritikpunkten der Kempen-Analysten ist jedenfalls lang. Sie bemängeln etwa, dass
•die Cash-Reserven der Immoeast nur noch bei 580 Mio. Euro liegen. Das wird durch die fällige Rückzahlung einer Unternehmensanleihe über 514 Mio. Euro am Jahresende zwar beträchtlich aufgestockt, trotzdem bleibe ein kurz- bis mittelfristiger Finanzbedarf von 1,4 Mrd. Euro. Immofinanz-Chef Karl Petrikovics bestreitet das freilich: Wenn Immofinanz und Immoeast je 400 Mio. Euro aus Immobilienverkäufen erlösen, sei die Liquidität sichergestellt.
•Immofinanz selbst braucht laut Kempen aber auch knapp 460 Mio. Euro. Allerdings nur, wenn das Unternehmen „willig und in der Lage“ sei, die fällige Rückzahlung von 392 Mio. Euro auf das 1,8-Mrd.-Euro-Darlehen der Immoeast zu leisten.
•Das halten die Kempen-Analysten aber für nicht so sicher: Aus dem Umstand, dass die Immoeast ihr Darlehen an Immofinanz nicht nur von 1,5 auf 1,8 Mrd. Euro aufgestockt, sondern in jüngster Zeit auch noch die Rückzahlungsfrist verlängert hat, schließen sie, dass es ein Risiko gebe, „dass Immofinanz das Darlehen an Immoeast nicht zurückzahlen kann“. Die Kempen-Experten mutmaßen, der Kredit von Immoeast an Immofinanz könnte von einem „normalen“ in einen endfälligen umgewandelt worden sein – und die Aufstockung habe mit einer Art Stundung der Zinsen zu tun.
•Merkwürdig findet man es bei Kempen auch, dass Immoeast zur Finanzierung des Kredits an die Immofinanz Staatsanleihen über 351 Mio. Euro verkauft hat – und nicht die Unternehmensanleihen aus dem Portfolio. Dies könne damit zusammenhängen, dass diese Unternehmensanleihen (541 Mio. Euro) „illiquid“ geworden seien. Die Immoeast habe diese derzeit unverkäuflichen Anleihen zum Buchwert in den Büchern stehen. Kempen bezweifelt, dass das auch dem Marktwert entspricht. Petrikovics erklärt das freilich anders: Man habe die Staatsanleihen verkauft, weil die Unternehmensanleihe höhere Zinsen abwerfen.
•Die Kempen-Experten sehen aber auch noch andere Merkwürdigkeiten in der Bilanz: Der überwiegende Teil der 2,7 Mrd. Kapitalerhöhung des Vorjahres sei in Staats- und Unternehmensanleihen investiert worden. Ein „wahrscheinlich“ von der UniCredit strukturierter Korb von Unternehmensanleihen (795 Mio. Euro) sei „illiquid“. Und: Das Finanzergebnis komme zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Zinsen des Darlehens an die Immofinanz.

Fazit von Kempen zu den beiden Aktien: Man empfehle, beide Papiere vorerst zu „meiden“. Übrigens: Den Liquidations-NAV (innerer Wert im Falle einer Liquidation) errechnet Kempen mit 2,4 Euro je Aktie – nicht weit vom derzeitigen Kurs entfernt also.

auf einen blick

Der an der Börse unter Druck gekommenen Immofinanz/Immoeast-Gruppe drohen Liquiditätsengpässe, schreibt das internationale Analysehaus Kempen.

Immofinanz dementiert, kürzt aber die „Projekt-Pipeline“ und verkauft Immobilien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2008)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.