Kursfeuerwerk an den Börsen

(c) AP (Aaron Favila)
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Das staatliche Rettungspaket für die US-Banken beflügelt die Aktienmärkte weltweit. Die Börse von Shanghai erlebte den größten Kursanstieg ihrer Geschichte.

New York/Wien. (höll/go/Reuters). Es war die schwärzeste Woche an der Wall Street seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 – und sie endete mit einem Kursfeuerwerk. Weltweit schossen am Freitag die Aktienkurse in die Höhe, nachdem die US-Regierung eine Auffanglösung für angeschlagene Banken angekündigt hat.

Auch der Wiener ATX stieg zu Börsenbeginn wie eine Rakete – und blieb oben. Zeitweise legte der Leitindex um mehr als zehn Prozent zu. Ungläubig starrten Anleger auf den Kurszettel: Erste Bank plus 15 Prozent, Raiffeisen International plus 14 Prozent. Und auch mit vielen Immobilienwerten ging es steil bergauf.

Solche Kursausschläge sind eine absolute Rarität. „Day-Trader“ und Zocker waren in Feierstimmung. Andere fragten sich, ob die Börsen nun endgültig verrückt geworden sind.

China schränkt Kursgewinne ein

Das Kursfeuerwerk hatte sich schon in Asien angekündigt. Die Börse von Shanghai erlebte den größten Kursanstieg ihrer Geschichte. Mehrere Aktien schlossen mit einem Plus von zehn Prozent – einen höheren Tagesgewinn haben die chinesischen Behörden verboten. Die Kommunisten in Peking folgten dem Vorbild der US-Regierung und beschlossen, mit einem staatlichen Investmentfonds Aktien von drei Großbanken zu kaufen und so ihren Kurs zu stabilisieren.

Die Party setzte sich in Moskau fort. Nach der Börsenpanik der vergangenen Tage und der Milliardengeldspritze durch den Kreml schoss der russische Leitindex in den ersten 15 Minuten nach Handelsbeginn um 18 Prozent in die Höhe und machte damit bereits einen Großteil seiner Wochenverluste gut. Dem Börsenbetreiber war die Sache nicht mehr geheuer. Um die Gemüter zu beruhigen, wurde der Handel kurze Zeit später für eine Stunde gestoppt. Das Feuerwerk ging trotzdem weiter. Das Börsenbarometer baute seine Gewinne auf 15 Prozent aus.

Ist das nun der Auftakt für die ganz große Börsenrally? Analysten raten zur Vorsicht. Denn gestern war kein gewöhnlicher Börsentag, sondern es wurde der dreifache „Hexensabbat“ zelebriert. Schon ohne Bankenkrise kommt es an einem solchen Tag zu starken Kursverwerfungen.

Am „Hexensabbat“ verfallen an den Börsen weltweit unter anderem die Optionen auf Einzelaktien und die Optionen auf Indizes. Großbanken und Hedgefonds versuchen dann meist, die Kurse in eine für sie günstige Richtung zu bewegen. Privatanleger sollten an einem solchen Tagen die Finger von Wertpapiergeschäften lassen.

Wie geht es nun weiter? In die gestrige Jubelstimmung mischten sich schon die ersten Unkenrufe. Denn nach Einschätzung von Analysten könnte die Party schon bald wieder vorbei sein. „Die Finanzkrise wird noch länger dauern“, warnt Investmentbanker Willi Hemetsberger.

Die Analysten der RZB sehen die Eurozone in den nächsten zwölf Monaten in einem „Stagnationsumfeld“. Auch eine Rezession in Westeuropa wird nicht ausgeschlossen. „Die Risken bleiben hoch“, heißt es in einer Studie von Bank Austria und UniCredit. In Deutschland gehen viele Aktienexperten davon aus, dass die Börsen schon bald ein neues Jahrestief erreichen.

Und der Finanzjongleur George Soros hält sogar einen Zusammenbruch des Finanzsystems für möglich. Die US-Notenbank Fed und die Aufsichten weltweit hätten den Banken und Zockern zu viel Freiheit gelassen, wodurch ein „monströs verzweigter Kreditmarkt“ entstanden sei, so Soros.

Illegale Aktivitäten?

Nun ziehen aber viele Behörden die Notbremse. Die Finanzaufsichten in den USA, in Großbritannien, Irland, der Schweiz und Australien untersagten ab sofort das sogenannte „Short-Selling“ – gemeint sind Wetten auf fallende Kurse. In den USA leitete die Justiz sogar Ermittlungen ein. Es besteht der Verdacht, dass große Investoren Gerüchte über die Investmentbanken Lehman Brothers und Morgan Stanley gestreut und durch die fallenden Kurse profitiert haben.

In Österreich ist „Short Selling“ zwar weiterhin erlaubt. Allerdings kündigte die Finanzmarktaufsicht an, solche Geschäfte stärker zu überwachen.

Die Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs empfahlen gestern übrigens den Kauf von Morgan-Stanley-Aktien. Zugleich teilte die Bank mit, in den nächsten drei Monaten von Morgan Stanley Honorare für allerlei Dienstleistungen zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2008)

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