Weltfinanzgipfel: Ein Gipfel, der kaum zu bezwingen ist

(c) EPA (Ali Haider)
  • Drucken

Der Weltfinanzgipfel soll zu Reformen führen, die künftig Krisen verhindern. Doch die Ziele sind weit unterschiedlicher, als die Teilnehmer geloben.

Bretton Woods II? Der britische Premier Gordon Brown hatte den heutigen Weltfinanzgipfel in Washington mit der historischen Konferenz von 1944 verglichen, in der die internationale Finanzarchitektur auf ein völlig neues Fundament gestellt wurde. Doch der Vergleich hinkt – schon wegen des geleisteten Einsatzes. Zwei Jahre lang wurde Bretton Woods vorbereitet, zwei Wochen lang das Treffen der 22 Staats- und Regierungschefs auf Einladung des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush. Und während beim „ersten“ Bretton Woods 22 Tage lang um einen Ausweg aus der großen Depression gerungen wurde, hat in Washington jeder Teilnehmer nur ein paar Minuten Zeit, um seine Vorschläge zu präsentieren.

Wird die Chance genutzt?

Die Gefahr ist also groß, dass das Treffen der Staatsmänner, einschließlich der Spitzen von UNO, Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), nicht mehr Ergebnisse zeitigt als blutleere Willensbekundungen und öde Gruppenfotos von Männern in dunklen Anzügen.

Das wäre schade. Denn dieser Gipfel in der düstersten Stunde, in der sich die Weltwirtschaft seit den 1930er-Jahren befindet, bietet zwei große Chancen: den Brand an den Finanzmärkten zu löschen und die Weichen für eine Reform der Finanzwirtschaft zu stellen.

Um das erste Ziel zu erreichen, müssten sich die Staatsführer in Washington darauf einigen, noch tiefer in die Taschen ihrer Steuerzahler zu greifen, als sie das in ihren bisherigen Reaktionen auf die Finanzkrise getan haben. „Den positivsten Schritt, den die Führer machen könnten, wäre das Versprechen, zumindest ein bis zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Programme zur Konjunkturbelebung zu stecken“, schrieb C. Fred Bergsten, Leiter des Washingtoner Peterson Institute for International Economics, kürzlich in der „Washington Post“. Ein solcher koordinierter Kraftakt der Staaten, argumentiert der einstige Wirtschaftsberater der US-Präsidenten Gerald Ford und Jimmy Carter, würde „die Tiefe der Rezession deutlich verringern.“

Darum solle, so Bergsten, der Weltfinanzgipfel eine deutliche Aufstockung der Mittel des IWF beschließen. Derzeit hat er 200 bis 300 Mrd. Dollar zur Verfügung, um armen Länder schnell Kredit zu geben. Bergsten ist mit seiner Einschätzung nicht allein, dass zumindest weitere 500 Mrd. Dollar nötig sind.

Niemand weiß, ob diese Maßnahmen das Feuer der Finanzkrise löschen können – doch bessere Mittel gibt es nicht. Für eine Einigung über eine grundlegende Reform aber fehlt an diesem Wochenende schlicht die Zeit. Sicher: Auch die Frage, wie man Ratingagenturen davon abhält, im Interesse ihrer Bankkunden falsche Gutachten zu erstellen, ist wichtig, ebenso wie bessere Grundsätze für die Bewertung von Risken in Bilanzen. In wenigen Stunden ist dafür aber nicht einmal ein Startschuss möglich. Und auch auf längere Sicht dürfte eine solche Feinplanung der Finanzaufsicht – die bei zu viel Eile auch kontraproduktiv ausfallen könnte – an politischen Realitäten scheitern.

Denn all die Staatslenker, die heute die Gemeinsamkeit beschwören, werden am Montag wieder das tun, wofür sie gewählt wurden: ihre nationalen Interessen vertreten. Und das, obwohl alle wissen, dass Finanzkrisen keine Grenzen kennen.

GLOSSAR: FINANZGIPFEL

Von Bretton Woods

zu den Hedgefonds

■BRETTON WOODS

Ein Ort im US-Bundesstaat New Hampshire, in dem sich am 22. Juli 1944 die Vertreter von 44 Staaten der Alliierten trafen, um ein stabiles Währungssystem zu beschließen. Ziel war es, den Welthandel zu stärken, um eine Depression wie in den 1930er Jahren samt dem dadurch bestärkten Faschismus nicht wieder entstehen zu lassen. Dieses Währungssystem fußte auf dem Grundsatz fester Wechselkurse. Zwei Geschöpfe von Bretton Woods sind die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF).

■RATINGAGENTUR

Eine Ratingagentur bewertet die Kreditwürdigkeit von Firmen und Staaten beziehungsweise von deren Wertpapieren. Sie vergibt dabei Bewertungsnoten, auf Englisch Ratings genannt. Je weniger Schulden eine Firma oder ein Staat hat, desto besser ist das Rating – und desto billiger ist es für das Unternehmen oder den Staat, über Anleihen Kredite aufzunehmen. Die drei wichtigsten Ratingagenturen heißen Moody's, Standard & Poor's und Fitch. Ein Grund für die Kreditkrise war der Umstand, dass viele riskante Wertpapiere fälschlicherweise als kreditwürdig bewertet wurden.

■HEDGEFONDS

Hedgefonds haben in der Vergangenheit dank des niedrigen Zinsniveaus riesige Summen an Krediten aufgenommen und ihre Investitionen auf diese Weise mit einem Hebel versehen („to leverage“ nennt man diese Investitionsstrategie). Manche Hedgefonds setzten für jeden Dollar eigenen Geldes bis zu 33 Dollar fremdes Geld ein – und konnten so viel größere Gewinne einstreifen, als wenn sie all das Investitionskapital selber hätten beisteuern müssen. Nun aber sind die Kreditmärkte trocken. Das Blatt für die Hedgefonds wendet sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2008)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.