Fordlandia: Henry Fords vergessene Dschungelstadt

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Der Autobauer investierte ein Vermögen in eine amerikanische Kleinstadt im Amazonas-Gebiet, um dort Kautschuk anzupflanzen. Er scheiterte kläglich.

Im Amerika der 1920er Jahre hat der Autobauer Henry Ford den Zenit seiner Karriere erreicht: Er war der reichste Mensch der Welt, ein "Ford T" nach dem anderen lief vom Band - und Ford kontrollierte die Produktion aller Rohstoffe, die für den Wagen benötigt wurden. Nur einer fehlte noch: Der Kautschuk. Deshalb errichtete Ford 1928 im brasilianischen Dschungel eine Kleinstadt nach amerikanischen Vorbild. Auf einer Fläche von rund 10.000 km² - das entspricht etwa der Größe von Kärnten - sollten einheimische Arbeiter aus Gummibäumen Kautschuk für amerikanische Autoreifen zapfen.

Henry Ford investierte - auf den heutigen Wert umgerechnet - eine Milliarde Dollar in das Projekt. „Und doch schaffte es kein einziger Tropfen Kautschuk in ein Ford-Auto", erklärt Historiker Greg Grandin, Autor des Buchs "Fordlandia - The Rise and Fall of Henry Ford's Forgotten Jungle City", in einem Interview.

Das Scheitern hatte mehrere Gründe: Als Anbaugebiet hätte Ford von vornherein Asien oder Afrika dem hügeligen Brasilien vorziehen müssen. Außerdem waren die Gummibäume, die in der freien Natur nur weit voneinander entfernt gedeihen, viel zu nah aneinander gepflanzt. Sie fielen reihenweise Krankheiten und Insektenplagen zum Opfer.

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Square Dance statt Samba

Doch nicht nur der Versuch, Kautschuk anzubauen, endete in einem Desaster. Ford gelang es auch nicht, den brasilianischen Arbeitern seine „eigentümliche Ideen von einer Gesellschaft" einzuimpfen, wie es Historiker Grandin formuliert.

Ford baute Schulen, Krankenhäuser, ein Kino und sogar einen Golfplatz. Er wollte aber auch jeden Aspekt im Leben seiner Arbeiter regulieren. Es gab nicht nur ein striktes Alkoholverbot, er zwang ihnen in der Kantine eine spezielles Ernährungsprogramm auf, das vor allem aus Vollkornreis, Haferbrei und Dosenpfirsichen bestand. Auch bei der Freizeitgestaltung überließ Henry Ford nichts dem Zufall. Die Arbeiter sollten nicht mehr Samba tanzen, sondern Square Dance, Polka und Walzer. Ford ließ zu Weihnachten sogar Kiefern aus seiner Heimatstadt Detroit einschiffen. Die Brasilianer strömten lieber in die Bars und Bordelle, die rund um die Siedlung wie die Pilze aus dem Boden schossen.

Auch die streng geregelten US-Arbeitszeiten kamen bei den Arbeitern schlecht an. Kurz vor Weihnachten 1930 zerstörten die Arbeiter bei einer Revolte nicht nur teure Maschinen, sondern auch die verhassten Stechuhren.

Lobgesänge: "Jesus Christus der Industrie"

Trotzdem gab Ford nicht auf und steckte weiter Geld in seine Dschungelstadt. Schließlich wurde auch Großes von ihm erwartet. Das Magazin "Time" schrieb, Ford werde so viel investieren, "bis der ganze Dschungel industrialisiert ist". Brasilianische Medien feierten den US-Unternehmer gar als den „Jesus Christus der Industrie", wie "Spiegel.de" schreibt.

Auch Fords guter Freund Walt Disney zeichnete in seinem Film "The Amazon Awakens" (1944) ein utopisches Bild von Fordlandia. Er präsentierte die Kleinstadt als erfolgreiches Unternehmen, als ein Tribut an die Wissenschaft - „die neuen Waffen des Pioniers des 20. Jahrhunderts". Nur ein Jahr nach dem Film kam synthetischer Gummi auf den Markt und mit Fordlandia ging es zu Ende. Der Enkel des damals bereits 82-jährigen Henry Ford verscherbelte die Stadt für 250.000 US-Dollar an Brasilien.

Autor Greg Grandin resümiert: „Ford hat nicht nur versucht, den Dschungel zu bändigen. Er hat geglaubt, er kann den Kapitalismus bändigen. Und das war die eigentliche Arroganz an der Sache". Der legendäre Autobauer starb im Jahr 1947. Fordlandia hat er nie betreten.

Mehr Infos (Englisch):

* Greg Grandin: "Fordlandia: The Rise and Fall of Henry Ford's Forgotten Jungle City"

* Interview mit Historiker Greg Grandin

* Film mit Bildern aus Fordlandia

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