»Die öffentliche Hand ist nicht lernfähig«

Der deutsche Ökonom Werner Rothengatter plädiert dafür, dass Private einen Teil des Risikos bei öffentlichen Großprojekten übernehmen – und sieht die Scheichs in den Emiraten als Vorbild.

Der Staat erweist sich immer öfter als ganz schlechter Bauherr. Was ist zu tun?

Werner Rothengatter: Die Grundregel sollte sein: Wer plant, trägt einen Teil des Risikos. Nicht zur Gänze, das wäre für einen Generalunternehmer eines Milliardenprojekts der Ruin. Aber ein Viertel bis ein Drittel privat zu finanzieren, ist die einzige wirksame Kontrolle. Nur so werden Kosten sorgfältig kalkuliert. Wenn ein Generalunternehmer am Betrieb eines Projekts beteiligt ist, muss er daran interessiert sein, es schnell und kostengünstig abzuschließen – denn erst dann fließen die Einnahmen. Bei rein öffentlichen Projekten aber verdient er an einer Verzögerung.

Wie sollte ein Aufsichtsrat bei einem öffentlichen Großprojekt besetzt sein?

Die politische Entscheidung, ein Projekt zu starten oder zu stoppen, müssen Politiker treffen. Aber mit der Kontrolle sind sie völlig überfordert. Es braucht also einen privaten Kontrolleur, oder am besten mehrere, um eine politische Vernetzung auszuschließen. Bei der Kontrolle und beim Planungsvorlauf zu sparen, ist ein Grundfehler im deutschen System.

Sind private Bauherrn wirklich besser? Auch ThyssenKrupp hat bei seinem Stahlwerk in Brasilien Milliarden versenkt . . .

Private tragen ein Risiko. Der Misserfolg in Brasilien geht an Thyssen ja nicht spurlos vorbei. Man versucht zu lernen. Bei öffentlichen Projekten in Deutschland aber gibt es keine Nachkalkulation oder Ex-post-Analyse. Die öffentliche Hand ist hier nicht lernfähig. Die Verantwortlichen sind ja nach fünf Jahren gar nicht mehr da.

Aber Politiker geraten doch jetzt als Bauherrn unter massive Kritik, wie Wowereit in Berlin oder Beck in Rheinland-Pfalz.

Ja, da ist eine neue Sensibilität entstanden. Die Häufung von Pannen macht die Öffentlichkeit nervös. Es stehen ja in großem Umfang Steuergelder auf dem Spiel. Das kostet Stimmen.

In China oder den Emiraten laufen Großprojekte bestens. Müssen wir Demokraten uns ein Beispiel an Diktaturen nehmen?

Nicht an China. Wenn Peking entscheidet, rücken am nächsten Tag die Bagger an. Es gibt keine Einspruchsmöglichkeiten. Der Staat setzt sich rigoros gegen den Bürger durch. Das ist keine Ideallösung. An den arabischen Wüstenstaaten haben wir schon eher ein Vorbild. Auch dort werden Entscheidungen diktatorisch getroffen. Aber für ihre gigantischen Projekte holen sich die Scheichs die besten Experten der Welt. Für die Formel-1-Strecke in Abu Dhabi gab es ein Projektmanagement, das plant, ein Generalunternehmen, das den Bau mit allen Risken managt, und private Kontrolleure. So zieht man ein Großprojekt verlässlich durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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