Doping-Industrie: 'Sportler nur letztes Glied in der Kette'

DopingIndustrie Sportler letztes Glied
DopingIndustrie Sportler letztes Glied(c) EPA (Patrick Seeger)
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Pharmakonzerne zählen zu den Profiteuren der Doping-Industrie. Was nach dem Verkauf ihrer Produkte passiert, interessiert sie aber nicht.

US-Radsportikone Lance Armstrong hat Doping gestanden. Nähere Details wird man möglicherweise nach seiner öffentlichen Doping-Beichte bei Star-Moderatorin Oprah Winfrey am Donnerstag wissen. Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur Usada sprach im Zusammenhang mit Armstrong vom "ausgeklügeltsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm, das die Welt jemals gesehen hat." Der folgende Beitrag der Presse.com-Serie "Schattenwirtschaft" soll zeigen, dass Sportler - auch wenn sie noch so erfolgreich sind - aber nur das letzte Glied in der Doping-Kette sind. Sandro Donati, Italiens Dopingjäger Nummer eins, nennt des Dopings überführte Sportler daher auch "Opfer des Systems", in dem nur Siege und Medaillen zählen. "Im Falle eines Dopingvergehens stellt das System die Sportler aber als alleinige Schuldige dar".

Tatsächlich trägt der Sportler, der zu Dopingmitteln greift, das Risiko. Ihm drohen die Aberkennung seiner Siege, lange Sperren und soziale Ächtung - im schlimmsten Fall sogar der Tod. "Die Sportler sind nur das letzte Glied in der Kette", sagte Günter Gmeiner vom Dopingkontroll-Labor Seibersdorf bereits vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking in einem "Format"-Artikel. "Die Hauptgewinner der gedopten Leistungsgesellschaft sind die Händlerszene, die globale Dopingindustrie mit ihren mafiös organisierten Vertriebskanälen und Pharmaproduzenten." Der Gesamtumsatz der jährlichen Dopingmitteln liege bei fünfzehn Milliarden Euro, so Gmeiner.

Gleiche Routen bei Drogen- und Dopinghandel

Interessant dabei: Dem Bericht zufolge sind Dealer von Heroin und Wachstumshormonen in den meisten Fällen dieselben. Die Routen des weltweiten Dopinghandels decken sich mit jenen des Drogenhandels. Profiteure des Dopinghandels sind aber auch Pharmakonzerne wie der US-Biotechkonzern Amgen, dem es laut "Format" 1989 erstmals gelang, EPO zur Behandlung von Blutarmut bei Krebs- und Nierenpatienten synthetisch herzustellen.

Dopingjäger Donati ist überzeugt, dass die jährlich produzierte EPO-Menge den tatsächlichen therapeutischen Bedarf um das Fünf- bis Sechsfache übersteigt, wie aus dem "Spiegel Online"-Bericht "EPO - der Topseller" hervorgeht. In US-Online-Apotheken gehört das Epo-Präparat Epogen dem Bericht zufolge sogar zu den zehn am häufigsten verkauften Medikamenten.

"Was danach passiert, interessiert uns nicht"

Amgen wurde übrigens Ende 2012 zu einer Strafe von 762 Millionen US-Dollar wegen unerlaubten Marketings verurteilt, wie die "TAZ" schreibt. Der Namenssponsor der Kalifornien-Radrundfahrt hatte EPO-Probepäckchen an Ärzte ausgegeben und diese angehalten, das Mittel jenseits des von den Behörden zugelassenen Anwendungsbereichs einzusetzen.

Diese Strafe mag schmerzen, dürfte aber verkraftbar sein. Denn das Geschäft mit EPO ist für Pharmafirmen lukrativ. Der US-Konzern Johnson & Johnson machte im Jahr 2004 mit EPO-Präparaten einen Jahresumsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar, US-Konkurrent Amgen einen Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar und der Schweizer Pharmariese Roche einen Umsatz von 1,7 Milliarden Dollar. Bei Roche fühlt man sich laut "Spiegel Online" aber nicht für die missbräuchliche Verwendung der eigenen Produkte zuständig. "Wir verkaufen unser EPO wie jedes andere Medikament an den Großhandel - was danach passiert, interessiert uns nicht", sagte Roche-Kommunikationsdirektor Hans-Ulrich Jelitto. "Wir sind nicht schuld am EPO-Missbrauch, also sind wir auch nicht verantwortlich."

Nur Einzelfälle: Kooperation mit Pharmabranche

Die Weltdopingagentur WADA verfügt laut "20min.ch" jährlich über ein Budget von rund 25 Millionen Dollar. Das sei angesichts der Umsätze, die Pharmafirmen mit EPO-Präparaten machen, geradezu absurd wenig. WADA-Generalsekretär David Howman kritisiert jedenfalls laut "TAZ" den mangelnden Aufklärungswillen der Pharma-Branche bei Abflüssen von Medikamenten in den Doping-Schwarzmarkt.

Erfolgreiche Kooperationen der WADA mit Pharmafirmen sind bislang nur Einzelfälle. So hat Roche zwar schon vor der Zulassung des Blutaufbau-Präparates Mircera im Jahr 2007 das Medikament sowie Nachweisstoffe zur Verfügung gestellt, was zur Überführung von Dopern bei der Tour de France 2008 führte. Der Kampf gegen Doping sei aber nicht die Aufgabe der Industrie, heißt es bei Roche. "Dass wir die Problematik Ernst nehmen, haben wir beim Medikament Mircera gezeigt".

Marker-Substanz: "Würde keine Behörde zulassen"

Eine Marker-Substanz in ein dopingrelevantes Medikament einzuschleusen, höre sich gut an, schreibt die "Pharmazeutische Zeitung". Umsetzbar sei das aber nicht so einfach. "Dazu müsste das ganze Zulassungsverfahren von vorne beginnen", zitiert die Zeitung Dopingforscher Hans Geyer vom Kölner Antidopinglabor.

"Man kann nicht wegen vielleicht 200 bis 400 Personen, die in Deutschland EPO zu Dopingzwecken verwenden, in die Körper von 10.000 bis 15.000 Patienten, die EPO dringend zum Überleben benötigen, Stoffe einführen, die aus medizinischer Sicht nicht gebraucht werden", gibt auch Anti-Doping-Experte und Biochemiker Fritz Sörgel zu bedenken. "Keine Arzneimittelbehörde der Welt würde ein Medikament mit diesen Risiken zulassen."

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